Ein echter Jazz Bass mit dem echten Look & Feel eines klassischen Jazz Bass aber nur 23″ Mensur, also nahezu die Größe einer Bass-Ukulele? Klingt verwegen, gibt es aber. Der Flight Mini JB SB. Flight kennt man als Marke von allen möglichen Ukulelen. In Slowenien ansässig, werden die Gerätschaften aber in China produziert. Das ist für sich genommen nichts Schlimmes, aber die Qualität?
Vorwort & File Closed
Der Flight Mini JB ist leider nur ein Spielzeug und kein Ersatz für einen richtigen Jazz Bass. Und ebenso leider kann man bei diesem Ding nicht den Sound eines Long Scale Bass erwarten. Manchmal hat er mir Spaß gemacht und er sieht gut aus, aber das reicht einfach nicht. Im Laufe der kurzen Zeit hat der Flight regelrecht abgebaut. Intonation, Mechaniken und Elektronik sind einfach nur schlecht. Seitdem ich den Kala Solid Body U-Bass habe, ist der Fall Flight Mini JB für mich komplett erledigt. Ich habe genau diesen Bass unlängst auf einer Made-In-China-Plattform für 130,- pro 1 Stück, oder 91,- Euro pro 6 Stück, oder ab 50,- ohne gerösteten Hals gefunden. Wer einen Reisebass sucht, der sich halbwegs wie ein richtiger Bass spielen lässt und klingt, dem würde ich den Höfner Shorty CT empfehlen. Oder eben den Kala Solid Body U-Bass.
Relation
Es ist erst einmal wichtig, den Flight Mini JB in Relation zu einem „richtigen“ Jazz Bass zu sehen. Also bitte sehr:
Das ist schon ein heftiger Unterschied. Der Flight Mini JB ist mit seiner 23″ Mensur eher so groß, wie eine Bass-Ukulele und deutlich kleiner als ein Long Scale Jazz Bass.
Verarbeitung
Das Instrument ist aus Sicht der Holzbearbeitung absolut exzellent gefertigt. Wahrscheinlich sehen wir hier die gnadenlose Präzision von CNC-Maschinen. Auf der Rückseite ist eine lange Farbnase quer zum Korpus im Klarlack. Wie sowas durch eine Qualitätskontrolle kommt und warum sowas während des Schleifens und Polierens ignoriert ist nicht zu verstehen. Ist nicht schlimm und wer guckt schon dauernd auf die Rückseite. Es ist nur irgendwie schade, weil der Rest des Finish so makellos ist, dass selbst ein Fender daneben nicht besser aussieht. Ansonsten passt alles und ist gerade oder ordentlich verschraubt.
Hals
Der geröstet Ahornhals ist wunderschön verarbeitet und duftet herrlich nach Ahornsirup. Die Bünde sind präzise eingesetzt und soweit ordentlich verschliffen. An einigen Stellen spürt man ein wenig die Bünde. Das ist also nicht top, aber auch nicht schlecht. Mit seinen 23″ ist der Hals natürlich eine Herausforderung für eine korrekte Intonation mit Standardsaiten in EADG Stimmung. Der Flight Mini JB macht das aber wirklich nicht gut. Durch die geringe Saitenspannung ist man leider gezwungen eine etwas höhere Saitenlage zu wählen, was der Intonation nicht wirklich zuträglich ist. Die Intonation ist leider sehr mangelhaft. Ab dem 9. Bund wird‘s bei korrekt eingestellte Brücke gut, aber je weiter man zum 0-Bund kommt, desto größer die Abweichung. Selbst bei nachgefeiltem Sattel ist ein F leider fast ein Fis. Für ernsthafte Musik ist der Flight Mini Jazz Bass vollkommen ungeeignet.
Setup
Ich habe den Bass ja aus dem Onlinehandel und er kam komplett original eingepackt bei mir an. Somit besteht bei mir kein Zweifel, dass er sich im Werkssetup befunden hat und dafür kann ich dem Hersteller nur Respekt zollen. Der Flight Mini JB kam ordentlich eingestellt bei mir an.
Das Pickguard ist wirklich total deneben. Überall Ecken anstatt saubere Rundungen und das Tortoise-Imitat ist fürchterlich schlecht gemacht. Genau hinsehen sollte man da nicht.
Hardware
Die gesamte Hardware hat die Maße eines normalen Jazz Basses. Es ist sozusagen nur der Korpus geschrumpft. Die Brücke ist sogar richtig gut und wertig gemacht. Die Mechaniken sind allerdings ziemlich lausig. Sie haben Spiel (wenig) und lassen sich nur mühsam stimmen, weil die Übersetzung viel zu klein ist. Sie halten die Stimmung auch nicht gut, d.h. man muss relativ viel nachstimmen. Ist aber irgendwie noch ok. Da gibt es viel Schlimmeres. Der Halsstab funktioniert sehr gut. Die Krümmung lässt sich sehr feinfühlig einstellen.
Elektronik
Die Controlplate ist leider China-Billig-Schrott. Die Potis kratzen nach kurzer Zeit nun schon. Das Tone-Poti hat 2 Stellen wo es schwergängig ist. Die Regelung ist soweit ok, aber eben der Tone-Regler regelt auf den ersten paar Millimetern schon die Höhen ins Nirvana. Der Output ist brutal hoch für einen passiven Jazz Bass. Ohne Gainregler oder Passive/Active Switch am Amp oder Interface zerreist es einem den Sound.
Sound
Der ist gar nicht mal so schlecht. Die Pickups liefern einen 60s Sound mit viel Wärme. Verblüffenderweise erzeugt der Flight Mini JB sogar den Hauch eines Jazz-Bass-Growl. Man kann wirklich viel mit dem Sound anstellen. Durch die „labberigen“ Saiten hört man natürlich viel Griffgeräusche und Slides, d.h. man muss sich mit der Spieltechnik schon am Riemen reißen. Aber was den Sound angeht, macht der kleine für eine Art von Bass-Ukulele schon was her. Am Low-End kommt richtig was rüber.
Soundsample Flight Mini JB. Signalkette: Flight Mini JB (Volume Neck 90%, Volume Bridge 80%, Tone 80% up) in Spark Go in Tascam X8
Saiten!
Die Werkssaiten sind ziemlicher Müll. Flight empfiehlt ja normale Longscale Saiten abzuschneiden. Diese Empfehlung ist aber unbrauchbar. Inzwischen hat Kala spezielle Kala Roundwound Solid U-Bass Strings für 23,5“ Mensur an. Diese Saiten sind perfekt passend für den Flight Mini JB und bringen eine gute Spannung und damit ein exzellentes Spielgefühl mit super Sound. Das Soundsample ist mit diesen Saiten eingespielt.
Durch die hohe Spannung der Saiten, kann man die Saitenlage deutlich verringern. Sogar soweit, dass ich inzwischen den Sattel tiefer gefeilt habe. Die großen Probleme mit einer unsauberen Intonation sind dadurch etwas weniger. Ich höre leider immer noch deutliche Abweichung heraus. Teilweise ist das auch nicht schwer, wenn ich in ruhigen Passagen nur mit der Gitarre zusammen spiele. Wenn dann ein E zwar ein E ist, das F aber bei mir auf halben Weg zum F# ist, dann fällt es einfach auf. Dank der Kala Roundwounds, ist der Flight für mich nun besser benutzbar geworden.
Fazit
Ein richtig hübscher keiner Jazz Bass, mit dem man viel machen kann (außer korrekte Töne produzieren). Vor allem durch seine Größe, hat man den schnell mal in der Hand und jammt eine Runde.
Ein echtes Instrument ist der Flight Mini JB leider nicht. Es ist ein Spielzeug. Nach nun 1 Jahr ist der Hals ziemlich unregelmässig krumm geworden. Die Intonation taugt nichts, die Tuner sind inzwischen so ausgeleiert, dass die getauscht werden müssen. Der Mini JB ist eher ein Dekoobjekt, was wirklich ganz hübsch aussieht.
Made-In-China ist – was den Flight Mini JB angeht – leider immer noch das, was ich unter Made-In-China fürchte. Wer nach einem richtig bespielbaren Mini Bass sucht, sollte sich bei Kala umschauen. Die wissen wenigstens, wie man echte Mini Bässe baut.
Nochmal zur Intonation: Nachdem sich inzwischen auch ein Instrumentenbauer an dem Flight Mini JB ausgetobt hat, steht fest, dass der Abstand zwischen Sattel und ersten Bund zu lang ist. Das setzt sich bis Bund 8 fort. Ab Bund 9 stimmt der Abstand zum Sattel. Die Bünde sitzen also falsch. Das ist ein Makel, der nicht tolerabel ist.
robert 7. Juli 2024
Sag mal, habe auch den flight mini. Passen da die kalas wirklich drauf oder muss man am sattel feilen? Sind ja etwas dicker als die originalsaiten. O,50 Tattoo 0,45 usw.
Schon mal danke, für eine Rückmeldung.
Grüße
Robert
Matz 7. Juli 2024 — Autor der Seiten
Hallo Robert,
ich musste nicht nachfeilen. Bei meinem Exemplar, war der Sattel ohnehin etwas großzügig gefeilt. Die Kalas passen perfekt.
Gruss, Matz
robert 8. Juli 2024
Herzlichen Dank.
Ulli 16. Dezember 2024
Ich schwanke zwischen dem Flight und dem Kala Solid Body U-Bass. Hast Du eine Empfehlung?
Grüße, Ulli
Matz 16. Dezember 2024 — Autor der Seiten
Der Flight sieht besser aus, aber wenn’s Dir ums Bassspielen geht, nimm den Kala. Der Kala ist ein echtes Instrument.
Gruß, Matz