Lichtgriff

Messsucher Fotografie, Elektrisches und Bass

Squier Classic Vibe 70s Jazz Bass

Es gibt doch noch Dinge, die mich nach all den Jahren des Bass-Spielens verblüffen können. Nach über 40 Jahren am Bass hat man ja doch genug Erfahrung gesammelt, um ein Instrument beurteilen zu können und es gab Zeiten, da gab es eine einfache klare Regel: Billig Bässe taugen nichts. Das diese Regel heute absolut nichts mehr wert ist, zeigt der Squier Classic Vibe 70s Jazz Bass mehr als deutlich. Hier also mein Erfahrungsbericht, Test oder auch Review des Squier Classic Vibe 70s Jazz Bass.

Audio Sample:

Bass Ballad. Squier Classic Vibe 70s Jazz Bass (Neck & Bridge Pickup 100% Volume, Tone 80%) mit Ernie Ball Extra Slinky 40-95 into Zoom B2 Four (Compressor & Plate Reverb) into TASCAM Portacapture X8 into Logic Pro (Post EQ & Bounce als MP3). (C)2023 Matz.

Früher war nichts besser

Mein erster Bass – da war ich 13 Jahre alt – war eine Chinesische Kopie eines Precision Bass. Schwarz, weißes Schlagbrett, Ahornartiger Hals und Griffbrett und auf der Kopfplatte nicht einmal irgendein Schriftzug. Die Mechaniken waren schwergängig, hatten zu viel Spiel und die Stimmung ließ sich vielleicht 10 Minuten lang halten. Der Hals war übel durchgebogen, die Bespielbarkeit der blanke Horror und wie man einen Bass richtig einstellt, wusste ich damals nicht. Trotzdem habe ich mich 2 Jahre tapfer gequält, um dem Ding brauchbare Töne zu entlocken. Kurzum: Die billigen Teile aus Fernost waren der übelste Schrott zu dieser Zeit. Dennoch: Stolze 300 DM musste ich 1982 für diesen Mist berappen. Rechnet man das inkl. Inflation um in das Jahr 2023, dann entspricht das heute also 370 Euro.

Squier Classic Vibe 70s Jazz Bass
Squier Classic Vibe 70s Jazz Bass – 3 Tone Sunburst – Made By Cort

Dann eben teuer

Ende 1985 war es dann soweit. Für damals heftige 1.150 DM (heute ca. 1200 Euro), kam ein Ibanez Roadstar RB760 II Active (PJ Konfiguration) in der immer noch ultrageilen Farbe transparent Black ins Haus. Made in Japan zwar, was damals kritisch beäugt wurde, aber Qualitativ eine ganz andere Liga. Saitenlage und Intonation ließen sich spielend und auf den Punkt genau einstellen. Die Bespielbarkeit und der kristallklare Sound sind heute noch meine persönliche Referenz. Das Instrument habe ich auch nie wieder hergegeben, auch wenn ich dann doch dem klassischen Fender Jazz Bass den Vorzug gegeben habe.

Fender Jazz Bass

Was soll man dazu eigentlich noch sagen? Der Jazz Bass ist der Bass schlechthin und für mich persönlich genau der Sound, den ich mag. Das Knurren eines echten Fender Jazz Bass ist einfach eine Wohltat. Da billige Nachbauten zu “meiner” Zeit einfach nicht gut waren, führte kein Weg am echten Fender vorbei. Für mich war das Gesetz und wenn man erst einmal gut mit Bässen versorgt ist (fortschreitendes Alter und Einkommen sein Dank), dann brauchts ja auch den Blick über den Tellerrand nicht mehr.

Squier?

Vor einiger Zeit stoplerte ich im Internet über ein Bild von einem Jazz Bass. 3-Tone Sunburst, schwarzes Schlagbrett, Ahorn-Hals/Griffbrett mit schwarzen Block Inlays und Binding. Das ganze auf vintage getönt und echt attraktiv für einen Jazz Bass. Ich dachte intuitiv an einen Geddy Lee Signature oder an einen AM Ultra, aber unter dem Bild stand ein Europreis von 419,-. Alles klar, ein Squier. Sieht nett aus, aber kein Fender und früher… Ihr wisst schon 😉

Squier Classic Vibe 70s Jazz Bass
Squier Classic Vibe 70s Jazz Bass – richtig eingestellt lauern die Saiten dicht über den Bünden 🙂

Ich track Dich!

Das Internet verfolgt Dich ja gnadenlos. Einmal auf den Squier geklickt und schon sorgen ekelige Cookies dafür, Deine Daten im Netz zu verteilen. Beim nächsten Youtube-Besuch wurden mir daher passende Tests zum Squier Classic Vibe 70s Jazz Bass vorgeschlagen, von denen ich mir dann auch ein paar angeschaut habe. Man fragt sich ja bei manchen Videos schon, ob die Leute da wirklich was von Bässen verstehen, aber grundsätzlich kommen die Squier Bässe ziemlich gut bei solchen Tests weg. Einer der Reviews ist mir aber in Erinnerung geblieben, weil der “Tester” bemängelte, dass sich die Halskrümmung des 70s Classic Vibe immer wieder verstellen würden. OK, dachte ich mir: “Früher” zu meiner Zeit, war das bei neuen Hälsen nichts ungewöhnliches und man kann mit der Art des Setups und der Saitenspannung normalerweise jeden halbwegs guten Bass perfekt justieren. Aber wer weiß? Vielleicht taugt Squier nach wie vor nichts?

2nd Hand

Wie der Zufall es so will, stolpere ich längere Zeit später über einen Squier Classic Vibe 70s Jazz Bass 3TS eines ambitionierten Anfängers. Wie er mir später sagte, brauchte er dringend einen neuen guten Bass, weil er am Squier an seine Grenzen gestoßen ist. Ok?! Jedenfalls glaube ich das gerne, denn dem armen Instrument konnte man schon von Weitem ansehen, dass es weder richtig intoniert noch einigermaßen bespielbar sein kann. Da ich bei 200 Euro nicht ablehnen konnte, habe ich den armen Squier dann gekauft. Außerdem ist mir für manche Proben bzw. Locations selbst mein “günstiger” Fender noch zu wertvoll… jedenfalls war das der Gedanke vor dem Kauf. Am Ende dazu noch etwas mehr.

Horror-Setup

Es ist mir persönlich schon schleierhaft, wie man in Zeiten des Internets so beratungsresistent sein kann und seinen Bass nicht richtig einstellt. Der Hals war krumm wie eine Banane. Dazu waren auch noch Rotosound 66 (45-105) aufgezogen. Die Saitenreiter fast alle auf einer Höhe! Wahnsinn. Das erste Anspielen bestätigte das auch: Keine Resonanz im Hals, Saitenlage unbespielbar hoch und keine Intonation. Das man mit so einem Setup weder den echten Jazz Bass Sound bekommt, noch Freude am Spielen hat, ist logisch. Wenn der arme Mensch seinen nächsten Bass auch so einstellt, dann ist jeder Markenname egal: Spielt sich alles schei**e.

Squier Classic Vibe 70s Jazz Bass
Squier Classic Vibe 70s Jazz Bass

Befreiung

Squier empfiehlt 45-100 für den Classic Vibe 70s Jazz Bass. Die Rotosound – vorallem die 105er E-Saite (für eine E-Saite, denn wir wissen ja, dass die meiste Spannung auf den hohen Saiten lastet) – haben eine hohe Saitenspannung, wenn sie gestimmt sind. Das diese Kombination einfach nichts taugt, liegt auf der Hand und da ich notorischer Ernie Ball Extra Slinky Spieler bin, habe ich als erstes die Rotosound entsorgt und einen frischen Satz Slinkies (40-95) aufgezogen. Und als hätte ich es nicht geahnt, war der Hals plötzlich in die Gegenrichtung gebogen. WTF? Was ist denn da mit dem Halsstab gemacht worden? Also: Spannung runter von den Saiten und den Halsstab entspannen. Die arme Mutter war gefühlte 3 Umdrehungen “angeknallt” mehr wäre auch kaum noch gegangen. Nachdem der Hals eine gerade Grundeinstellung hatte, habe ich wieder Spannung auf die Saiten gegeben, geprüft und eingestellt und entsprechend die Brücke justiert. Man glaubt es kaum, aber mit den Fender “Werksvorgaben” für den Saitenabstand, ist ein sehr gut bespielbares Instrument mit einem guten Sound entstanden, aber der Teufel steckt im Detail. Wenn man den Hals einstellt, gibt es einen winzigen kleinen Spot, an dem der Hals plötzlich “frei” ist und optimal mitschwingt. Man spürt diese enorme Resonanz, wie sie sich über Hals und Korpus ausbreitet. Dazu muss man aber den Sweetspot genau treffen. Das ist u.U. viel Arbeit, die sich aber lohnt. Und so ist es auch beim Squier. In dem Moment, wo der Hals frei ist, erzeugt der Squier einen unglaublich fetten Jazz Bass Sound, der sich nur noch in Nuancen von meinem originalen Fender Jazz Bass unterscheidet.

Attacke

Der Attack, als auch der Sustain müsste jedem, der glaubt Pappel wäre kein gutes Tonholz, eine Ohrfeige geben. Angenehme 3,7 Kg wiegt der Squier mit Gurt 😉 und rotzt das Jazz Bass knurren raus, wie kein anderer Jazz Bass, den ich bisher in meinen Händen hatte. 50 Sekunden lang schwingen die Saiten, bis der Ton verstummt. Nach der ersten 2 Stunden Session im Proberaum, guckt mich mein Drummer ungläubig an und meint noch nie so einen fetten Jazz Bass Sound gehört zu haben – naja… Drummer eben 😀

Sound

Im Fingerstyle Funk knallt der Squier so dermaßen raus, dass Du Deine Bassline am liebsten erstmal 10 Minuten im Loop runterspulen möchtest. Amtlich. Es macht wirklich Spaß den Squier zu bearbeiten. Aber es ist jetzt nicht so, als wäre der Squier Classic Vibe 70s Jazz Bass das Beste, was man bekommen kann. Die Pickups liefern einen dünnen, neutralen Sound mit einem extrem hohen Output, der nirgendwo den Wow-Effekt hat. Man muss als im Preamp und/oder EQ des Amp nachhelfen. Man darf natürlich auch nicht vergessen, dass es hier um einen 400,- Squier geht! Dafür ist der Sound vollkommen OK.

Squier Classic Vibe 70s Jazz Bass
Squier Classic Vibe 70s Jazz Bass

5 Cents

Ich hatte in meinen vielen Jahren als Bassist noch keinen Bass, der diesen ultra-knackigen Jazz Bass Sound so erzeugt hat, wie der Squier und ich bevorzuge den teilweise vor meinen originalen Fender Jazz Bässen. Wie schon gesagt: Ich mag diesen klaren knurrigen Sound eben sehr. Das ist nicht jedermanns Sache – schon klar – aber wer diesen Sound sucht, muss sich den Squier in den eigenen Werkzeugkasten legen.

Was aber noch erstaunlicher ist, ist die gute Verarbeitung. Der Squier ist hier gar nicht mal so weit weg von seinen echten Fender Kollegen. Man merkt dann eben, das Cort in Indonesien mit modernsten und hochgenauen CNC Maschinen fertigt. Jede einzelne Note über das gesamte Griffbrett intoniert beim Squier auf den Cent genau richtig. Das kann keiner meiner anderen AM Bässe – Der originale 74er American Jazz Bass schon gar nicht. Braucht man das? Vielleicht nicht zwingend so brutal genau, aber sollte das nicht ein Grundbestandteil der Qualität eines Instrumentes ein? Richtige Noten spielen zu können?

Die restliche Verarbeitung ist top, die Materialen nicht immer so ganz. Die Mechaniken sind gut, aber die originalen Fender MIA sind viel geschmeidiger. Die Stimmstabilität ist allerdings exzellent beim Squier. Die Potis auf der Control Plate kratzen in bestimmten Stellungen leicht und das Chromfinish offenbart Mängel in der Vorbehandlung des Metalls. Dafür steht kein Bund über. Alles was das Spielen betrifft, ist makellos.

Finale

Mich hat der Squier Classic Vibe 70s Jazz Bass CII (Crafted In Indonesia) extrem verblüfft. Was man da für um die 400 Euro bekommt ist in Preis/Leistung kaum zu schlagen. Und das bringt mich wieder zu dem Punkt “wertvoll”. Eigentlich sollte der Squier ein Lückenbüßer für all die Gelegenheiten werden, wo mir einer meiner anderen Bässe zu wertvoll gewesen wäre. Nun wäre er fast mein kleiner Geheimfavorit geworden und damit erheblich wertvoller, als das wenige Geld, was er gekostet hat… auch wenn er meinem echten Favoriten, dem Fender Vintera 70s JB dann doch nicht nahe genug kommt. Der Squier hat zwar den 70s Vibe aber eben nicht das 70s Feeling und nicht den authentischen 70s Sound. Es ist ein moderner Bass, der überall eine gute Figur macht. Das echte 70s Halsprofil mit den super dünnen Bünden und der Sound eines Vintera 70s ist mir am Ende einfach lieber. Schlußendlich war dann der Korpus des Squier die Basis für mein 62 Player Projekt und damit existiert der Classic Vibe nicht mehr.

3 Kommentare

  1. Freddi 27. Januar 2024

    Hallo Matz,
    auch an dieser Stelle mein Dank für ein richtig starkes Review und ein sensationelles Sound Sample.

    Vg. Freddi

  2. Yockel 21. Februar 2024

    Lohnt wohl kaum den Squier zu kaufen um dann auf Fender umzubauen. Hättest besser gleich nen Player gekauft.
    Wie ist der Sound mit dem Fender Neckt?

    • Matz 21. Februar 2024 — Autor der Seiten

      Wie schon geschrieben: Der Squier hat mich gebraucht 200,- gekostet. Den Hals gab es für 190,- im Angebot.
      Der Sound ist nicht mehr so stark in den Höhen und hat mehr Low-End bekommen. Klingt nach einem typischen Fender Jazz Bass.

      Gruß, Matz

Antworten

© 2024 Lichtgriff

Thema von Anders Norén