Ein echter Jazz Bass mit dem echten Look & Feel eines klassischen Jazz Bass aber nur 23″ Mensur, also nahezu die Größe einer Bass-Ukulele? Klingt verwegen, gibt es aber. Der Flight Mini JB SB. Flight kennt man als Marke von allen möglichen Ukulelen. In Slowenien ansässig, werden die Gerätschaften aber in China produziert. Das ist für sich genommen nichts Schlimmes, aber die Qualität?
Relation
Es ist erst einmal wichtig, den Flight Mini JB in Relation zu einem “richtigen” Jazz Bass zu sehen. Also bitte sehr:
Das ist schon ein heftiger Unterschied. Der Flight Mini JB ist mit seiner 23″ Mensur eher so groß, wie eine Bass-Ukulele und deutlich kleiner als ein Long-Scale Jazz Bass.
Verarbeitung
Das Instrument ist aus Sicht der Holzbearbeitung absolut exzellent gefertigt. Wahrscheinlich sehen wir hier die gnadenlose Präzision von CNC-Maschinen. Auf der Rückseite ist eine lange Farbnase quer zum Korpus im Klarlack. Wie sowas durch eine Qualitätskontrolle kommt und warum sowas während des Schleifens und Polierens ignoriert ist nicht zu verstehen. Ist nicht schlimm und wer guckt schon dauernd auf die Rückseite. Es ist nur irgendwie schade, weil der Rest des Finish so makellos ist, dass selbst ein Fender daneben nicht besser aussieht. Ansonsten passt alles und ist gerade oder ordentlich verschraubt.
Hals
Der geröstet Ahornhals ist wunderschön verarbeitet und duftet herrlich nach Ahornsirup. Die Bünde sind präzise eingesetzt und soweit ordentlich verschliffen. An einigen Stellen spürt man ein wenig die Bünde. Das ist also nicht top, aber auch nicht schlecht. Mit seinen 23″ ist der Hals natürlich eine Herausforderung für eine korrekte Intonation mit Standardsaiten in EADG Stimmung. Der Flight Mini JB macht das aber wirklich gut. Durch die geringe Saitenspannung ist man leider gezwungen eine etwas höhere Saitenlage zu wählen, was der Intonation nicht wirklich zuträglich ist. Trotzdem: Die Intonation kann sich für so einen Bass-Zwerg sehen lassen.
Setup
Ich habe den Bass ja aus dem Onlinehandel und er kam komplett original eingepackt bei mir an. Somit besteht bei mir kein Zweifel, dass er sich im Werkssetup befunden hat und dafür kann ich dem Hersteller nur Respekt zollen. Der Flight Mini JB kam perfekt eingestellt bei mir an.
Das Pickguard ist wirklich total deneben. Überall Ecken anstatt saubere Rundungen und das Tortoise-Imitat ist fürchterlich schlecht gemacht. Genau hinsehen sollte man da nicht.
Hardware
Die gesamte Hardware hat die Maße eines normalen Jazz Basses. Es ist sozusagen nur der Korpus geschrumpft. Die Brücke ist sogar richtig gut und wertig gemacht. Die Mechaniken sind allerdings ziemlich lausig. Sie haben Spiel (wenig) und lassen sich nur mühsam stimmen, weil die Übersetzung viel zu klein ist. Sie halten die Stimmung auch nicht gut, d.h. man muss relativ viel nachstimmen. Ist aber irgendwie noch ok. Da gibt es viel Schlimmeres. Der Halsstab funktioniert sehr gut. Die Krümmung lässt sich sehr feinfühlig einstellen.
Elektronik
Die Controlplate ist leider China-Billig-Schrott. Die Potis kratzen nach kurzer Zeit nun schon. Das Tone-Poti hat 2 Stellen wo es schwergängig ist. Die Regelung ist soweit ok, aber eben der Tone-Regler regelt auf den ersten paar Millimetern schon die Höhen ins Nirvana. Der Output ist brutal hoch für einen passiven Jazz Bass. Ohne Gainregler oder Passive/Active Switch am Amp oder Interface zerreist es einem den Sound.
Sound
Der ist gar nicht mal schlecht. Die Pickups liefern einen 60s Sound mit viel Wärme. Verblüffenderweise erzeugt der Flight Mini JB sogar den Hauch eines Jazz-Bass-Growl. Man kann wirklich viel mit dem Sound anstellen. Durch die “labberigen” Saiten hört man natürlich viel Griffgeräusche und Slides, d.h. man muss sich mit der Spieltechnik schon am Riemen reißen. Aber was den Sound angeht, macht der kleine für eine Art von Bass-Ukulele schon was her. Am Low-End kommt richtig was rüber.
Soundsample Flight Mini JB. Signalkette: Flight Mini JB (Volume Neck 90%, Volume Bridge 80%, Tone 80% up) in Spark Go in Tascam X8
Saiten!
Die Werkssaiten sind ziemlicher Müll. Flight empfiehlt ja normale Longscale Saiten abzuschneiden. Diese Empfehlung ist aber unbrauchbar. Inzwischen hat Kala spezielle Kala Roundwound Solid U-Bass Strings für 23,5“ Mensur an. Diese Saiten sind perfekt passend für den Flight Mini JB und bringen eine gute Spannung und damit ein exzellentes Spielgefühl mit super Sound. Das Soundsample ist mit diesen Saiten eingespielt.
Ohne die Kala Saiten ist der Flight Mini JB eigentlich nur als Spassinstrument zu gebrauchen. Mit den Kala Roundwounds wird daraus ein echter Bass. Durch die hohe Spannung der Saiten, kann man die Saitenlage deutlich verringern. Sogar soweit, dass ich inzwischen den Sattel tiefer gefeilt habe. Die kleinen Probleme mit einer unsauberen Intonation sind dadurch vollkommen verschwunden. Ich höre leider 2 Cents Abweichung heraus. Teilweise ist das auch nicht schwer, wenn ich in ruhigen Passagen nur mit der Gitarre zusammen spiele. Wenn dann ein E zwar ein E ist, das F aber bei mir auf halben Weg zum F# ist, dann fällt es einfach auf. Dank der Kala Roundwounds, ist der Flight für mich nun uneingeschränkt benutzbar geworden!
Fazit
Ein richtig hübscher keiner Jazz Bass, mit dem man viel machen kann. Vor allem durch seine Größe, hat man den schnell mal in der Hand und jammt eine Runde. Ich habe den sogar schon für eine Recording Session genutzt. Da war zwar viel Nacharbeit in der DAW nötig, um den Sound so einzufangen, dass es brauchbar klingt, aber es geht! … Update: Dank der Kala Roundwound Saiten, klingt der Flight Mini JB richtig geil.
Das Ding macht einfach Spaß und deswegen verzeiht man ihm so manche Unzulänglichkeit. Made-In-China ist – was den Flight Mini JB angeht – leider immer noch das, was ich unter Made-In-China fürchte. Wäre schon cool, wenn Fender oder Squier mal einen Super-Short-Scale Jazz Bass bringen würden 😉
robert 7. Juli 2024
Sag mal, habe auch den flight mini. Passen da die kalas wirklich drauf oder muss man am sattel feilen? Sind ja etwas dicker als die originalsaiten. O,50 Tattoo 0,45 usw.
Schon mal danke, für eine Rückmeldung.
Grüße
Robert
Matz 7. Juli 2024 — Autor der Seiten
Hallo Robert,
ich musste nicht nachfeilen. Bei meinem Exemplar, war der Sattel ohnehin etwas großzügig gefeilt. Die Kalas passen perfekt.
Gruss, Matz
robert 8. Juli 2024
Herzlichen Dank.