In Zeiten von Audiointerfaces und DAW Software, braucht doch niemand mehr ein Pocketstudio fürs Homercording, oder? Bis zum Zoom R12 hätte ich dem fast zugestimmt, aber der Zoom R12 hat bei mir für das Recording von Ideen und Demos das Macbook mit Interface und Logic Pro wieder verdrängt. Hier also ein kleiner Test des ZOOM R12.
Die immer startbereite DAW
Frühere Pocketstudios waren zwar eine gute Hilfe, aber teils sehr umständlich zu Bedienen, wenn man etwas mehr bearbeiten musste. Eigentlich war das Bearbeiten mit Markern setzen und dauernd irgendwelche Tasten drücken ziemlich nervtötend. Die DAW auf dem Computer ist dagegen ein riesen Schritt nach vorne. Der Zoom R12 ist jedoch ein Pocketstudio mit dem Userinterface einer DAW. Und das instant und sofort ohne Anschliessen, Booten, Einrichten, Starten. Einschalten und loslegen. Das macht Spass.
Essentielles
Der Zoom R12 reduziert sich auf alles, was man als kreativer Musiker braucht. Tracks können am Touchscreen intuitiv verschoben, kopiert, beschnitten und aufgeteilt werden. Die Faderstellungen bleiben im Bildschirm virtuell erhalten. Jeder Track hat einen eigenen EQ, Fx Input, FX Send und man kann sich der großen Zoom Effektbibliothek bedienen. Ein Effektpach kann aus 3 Effekten bestehen. Es gibt einen Klicktrack mit Balance Regler, 2 Inputs mit excellenten Preamps, einer davon mit schaltbarer Impedanz (HI-Z), Stereo Balanced (TRS) Outputs und alles wird direkt auf der Front des Gerätes geregelt. Und das Beste: Er läuft mit 4 AA Batterien oder USB-C Powerbank.
Warum R12?
Die Idee zu einem neuen Song entsteht in Deinem Kopf. Von da aus liegt es nur an Dir alleine, die erste Demo aufzunehmen. Da ich ja nur ein Instrument zur Zeit spielen kann, brauche ich ein Konzept mit wenigen Eingängen und einem freien Input Routing. Geräte mit vielen Inputs erlauben kein Input Routing, weil man ja für jeden Track einen Input hat. In der Praxis ist es aber super doof, nach jedem Track umzustecken. Außerdem sieht es schlecht aus, wenn nur einer der Ports eine Hi-Z Schaltung hat, Du aber 4 Hi-Z brauchst. Mein Bass, Gitarre und Cajon sind passiv. Für Lead-, Rhythmus, Bass und Cajon brauche ich also 4x Hi-Z Klinke, die ich an beliebige Tracks routen kann. Genau deswegen ist der Zoom R12 das perfekte Werkzeug für mich.
Warum nicht DAW?
Ein Computer hat natürlich viel mehr Möglichkeiten, aber eben auch zu viele und zu unzuverlässig. Zu oft ist mir Logic schon eingefroren, wenn Takes zu lang wurden. Experimente mit Interfaces, Probleme mit dem Sound einzelner Instrumente und so weiter und so fort. Für‘s Mastern ist der Rechner super, aber für kreative Takes und Demos nur ein Klotz am Bein.
Auf Speed
Mit dem Zoom R12 bin ich viel schneller, als mit dem Rechner. Bis ich am Macbook alles angeschlossen und gestartet habe, ist beim R12 der erste Track schon im Kasten. Das Gerät ist so herrlich unkompliziert und schnell. Es nimmt wenig Platz weg und liegt bei mir immer in der Nähe der Musikinstrumente und nicht wie der Rechner irgendwo anders. Ja, wer sich zu Hause alles um seine DAW herum eingerichtet hat, mag das belächeln, aber unterwegs mal schnell eine Songdemo aufnehmen und Ideen festhalten, geht mit dem Zoom R12 viel eleganter und schneller.
Sound
Kopfhörer auf, Instrument anschließen und… Du hörst nichts. Gain kurz vor Clipping und wieder alles loslassen… Du hörst nichts. Da ist kein Rauschen. Die beiden Preamps sind absolut exzellent für den Preis. Insgesamt ist der Sound sehr gut. Die Demos klingen sehr professionell. Die Tracks kann man auch locker für professionelle Produktionen verwenden (wenn man wollte).
Mikrofon Sound
Auch hier gibt es nichts zu meckern. +50 dB Gain ohne Rauschen ist schon eine kleine Ansage und reicht für Gesang über ein dynamisches Mikrofon. Für die Instrumentenabnahme über Dynamische ist das am Ende etwas wenig, aber mit Kondensator Mics oder einem Triton FetHead ist das Problem mehr als erledigt. Übrigens ist die Kombination Dynamisches Mic + FetHead extrem gut am Zoom R12. Kein Rauschen bei über +75 dB Gain. Da kann man schon fast ein Interview mit einer Ameise führen 😉
Hardware
Der Kunststoff hat eine schöne Haptik und nichts wackelt oder scheppert. Von meinem seeligen Tascam Portastudio war ich anderes gewohnt. Die Fader sind recht kurz, regeln aber geschmeidig und präzise genug. Die Combo XLR sitzen gut, aber die 2 symmetrischen TRS Ausgänge sind irgendwie sehr stramm, so als wären sie einen Tick zu eng. Der Touchscreen reagiert sehr gut und verblüffenderweise, kann ich auf dem kleinen Display sehr gut arbeiten. Allerdings ist es schon schade, dass das Display nicht etwas größer ist.
Handling Kreativität
Hier hängt der Zoom R12 einen Computer + DAW gnadenlos ab. Von der ersten Idee bis zum ersten Track vergehen beim Zoom im besten Fall nur Sekunden. Und weil es so geil klingt und einfach ist, entstehen Demos bei mir innerhalb von Minuten. Am Rechner sitze ich deutlich länger. Es ist wahrscheinlich nur eine Kopfsache, aber ich arbeite mit dem Zoom R12 fokussierter. Obwohl man am Zoom super editieren und mit Regionen arbeiten kann, versuche ich trotzdem immer einen One-Take hinzubekommen. Am Rechner fange ich immer gerne an dutzende Regionen zu erzeugen und kann den neuen Song dann gar nicht wirklich spielen. Ich finde auch, dass DAWs einfach viel zu überfrachtet sind. Die ganzen Features sind toll für die eigentliche Produktion, aber lenken zu viel von der wirklichen Kreativität ab.
8 Tracks
Die erste Demo von einem neuen Song, besteht bei mir in der Regel aus Gitarre, Bass, Cajon und Klavier. Im Grunde brauche ich 4 Tracks. Beim Zoom R12 bleiben dann noch 4 Tracks übrig für Melodie und Soloexperimente. Mein Cajon ist ein Meinl Slaptop Cajon mit eingebauten Tonabnehmern, d.h. ich kann es direkt an den Input des R12 anschliessen und habe einen ordentlichen Percussion-Track.
Stereo Bounce = unendlich viele Tracks. Was nicht im Handbuch steht
Dank des Mixdowns kann man seine 8 Tracks in ein 2 Track Stereo WAV ausgeben. Wenn man nun ein neues Projekt mit gleichem Tempo erstellt und 2 leere Tracks per Stereo-Link verbindet, kann man über Add File den Mixdown zum neuen Projekt hinzufügen und weitere 6 Tracks dazu aufnehmen. Das sind dann schon 12 Tracks und durch weitere Mixdowns kann man immer wieder 6 neue Tracks hinzufügen. Durch Add File wird der Mixdown in das neue Projekt dupliziert; daher muss man auch einen neuen Dateinamen vergeben. Auf diese Weise gibt es kein Limit, was die Tracks angeht. Durch das Anlegen neuer Projekte, bleiben alle Einzeltracks erhalten und können später in einer DAW abgemischt und gemastert werden.
Nett gemeint, aber naja…
Der Zoom R12 hat zwei nette Features. Man kann Synth(Midi) Tracks und Drumpatterns als Tracks erzeugen. Es stehen 19 General Midi Sounds zur Verfügung. Das ist nett, klingt aber eher bescheiden. Die Drumpatterns sind Wavesamples, die sich nur mit Qualitätsverlust im Tempo ändern lassen. Die beiden Features sind nett gemeint, aber da connecte ich lieber mein iPhone mit dem R12 und spiele Zeugs aus irgendwelchen Apps oder Garageband – wenn das je nötig werden sollte. Ich mache meine Songs lieber mit echten Instrumenten, auch wenn das dann vielleicht nicht so professionell gespielt ist, wie ich mir das wünschen würde. Dafür ist es real. Daher: Nett gemeint, die zwei Features, aber naja…
Metronom
Ich habe ja einen Tascam X8. Ein sehr geiler 6 Spur Recorder, der zwar nicht in Regionen editieren kann, aber die klassischen Funktionen schon drauf hat. Aber: Das Metronom des X8 funktioniert nur innerhalb der Metronom-App und kann nicht zur Aufnahme verwendet werden (Update: Es jetzt gibt ganz neu ein Update 2.0 für den X8, wo jetzt eine neue Recording App enthalten ist, die auch das Metronom wiedergeben kann). Der Klicktrack des Zoom R12 geht natürlich immer und kann sogar geroutet werden, d.h. entweder höre ich den nur im Mix oder sogar im Output und das regelbar. Super ist dabei, dass man den Sound wählen kann und einer der Sounds sind Drumsticks.
Fazit
Super Handling, super Sound. Es gibt kaum ein Stück Recordingequipment, was ich mehr schätze, als den keinen Zoom R12. Es gibt aber Dinge, die weniger gut gelöst sind. Einige Funktionen sind sehr versteckt in Untermenüs und wenn ein anderer Track schon ein FX Input Routing hat, muss man den erst deaktivieren, bevor man das Routing auf einen neuen Tracks legen kann. Eine Übernehmen Funktionen wäre da wirklich hilfreich. Ansonsten aber alle Daumen hoch!