ID Software und Update Odyssee (mit Happy End)

Es ist Zeit für die Version 2 dieses Artikels, denn dieser Beitrag wurde im Laufe der Zeit zu einem Rolling Review der Volkswagen ID Software mit allen Höhen und Tiefen bis hin zum Abschleppwagen und wieder zurück zur Selbsthilfe. Hier also die Zusammenfassung von 24 Monaten ID Software, die ein wenig an Homers Irrfahrten des Odysseus erinnert.

Elektrisches zum Hören gibt es auch im Podcast

Das Fazit zur Software 3.2 findet ihr jetzt auch bei YouTube: https://youtu.be/BGXc6wWT0Q0

Sommer 2021 – ID Software 2.1

Schon bei der ersten Probefahrt merkte man deutlich die Performanceschwäche der Software und die mangelhafte Spracherkennung. Die Software war also mehr Pause als Play. Damals konnte man mich aber noch leicht mit dem Versprechen der zahlreichen OTA (Over-The-Air) Updates ködern. Pro Quartal 1 Update hatte VW propagiert und warum sollte der Kunde einer seriösen Traditionsmarke daran zweifeln? Und tatsächlich sollte das Update 2.3 kurz bevorstehen. Daher fand ich die vielen Fehler, halbfertige Dialoge, schlechte Performance und vor allem die schlechte Start-Up-Zeit verschmerzbar.

Spätsommer 2021 – Das OTA Update 2.3

Es kam tatsächlich das versprochene Update. Nur vielleicht nicht ganz so, wie man sich das gedacht hatte. Sollte doch der ID sich nun komplett also auch mit den Steuergräten updaten können, so war 2.3 eigentlich nur ein Update für das Infotainment. Die Spracherkennung wurde besser und die Bedienung etwas flüssiger. Die Startzeit war aber immer noch schlecht. Immerhin aber waren die halbfertigen Dialoge verschwunden und ein paar kleine Features wurden nachgeliefert. In Summe aber kein großes Update.

1 Jahr 2.3

So lange hat es gedauert, bis Ende August 2022 das Update 2.4 in der Werkstatt gemacht wurde. Bis dahin durfte ich pro Quartal 1x die Sicherung des Telematikmoduls ziehen, um es neu zu starten, weil der ID seine Onlineverbindung verloren hatte. In regelmässigen Abständen blieb der Hauptbildschirm beim Starten schwarz. Manchmal auch der kleine am Lenkrad. Oftmals half ein Neustart des Infotainments während der Fahrt. Gelegentlich half nur eine Pause mit Busruhe. Besonders nervig ist dieser Bug, wenn die Scheiben beschlagen sind. Ohne Hauptbildschirm kann man die Klimatisierung nicht bedienen!

5 Monate 2.4

Dieses Update war nötig, um den ID vollumfänglich OTA updatefähig zu machen. Es enthielt noch eine Effizienzsteigerung für kalte Tage. Die Effizienz – da muss man VW auch einmal loben – ist wirklich bemerkenswert besser geworden, wenn es draußen kalt ist. Die restlichen Bugs waren aber geblieben.

Dezember 2023 – OTA 3.0

Als die Meldung erschien, dass das Update jetzt endlich nach all der Wartezeit bereitsteht, war ich einen Moment lang wirklich begeistert und sah schon vor meinem geistigen Auge die Vorzüge einer performanten und stabilen Software, aber das Update schlug – warum auch immer – fehl:

Nach 3 Versuchen, hatte ich am 28.12.2022 keine weitere Lust mehr auf das OTA Update und hatte mir für den 10.01.2023 einen Termin in der Werkstatt gebucht. Der Besuch war auch notwendig, weil das Telematikmodul komplett seinen Dienst quittierte und sich auch nicht durch einen Reset wieder hochfahren lassen wollte. Den Speicher des ID.4 hatte ich am 28.12. mit OBD11 ausgelesen und war schon ziemlich überrascht, wieviele Fehler protokolliert waren. Unter anderem tauchte da der statische Fehler „Falscher Wegfahrsperrencode“ in der Driveunit auf. Das Auto fuhr aber noch, daher habe ich den Fehler nicht mehr weiter beachtet. Ein großer Fehler, wie sich später herausstellen sollte.

06.01.2023 Ende der Fahrt

An diesem Tag blieb der ID.4 unterwegs liegen. Mehr Fehler kann man schon kaum im Fehlerspeicher ablegen und in den 5 Stunden, die ich auf den Abschlepper warten musste, konnte ich viel im Fehlerprotokoll stöbern. Das Fehlerbild – bis auf den falschen Wegfahrsperrencode – hat allerdings kaum einen Sinn ergeben und so wurde der ID dann 60 Km weit zu meinem VW Händler transportiert, der am darauffolgenden Werktag sofort Hand anlegte.

Brauchen Sie Hilfe?

Der Händler gab mir natürlich sofort einen ersten Zwischenbericht. Er musste Hilfe beim TSC (Technisches Service Center) anfordern und dieses TSC hat eine Antwortzeit von 5 Werktagen. 1 Tag später fühlte sich zufällig der ID-Kundendienst berufen bei mir nachzufragen, ob ich Hilfe brauche, denn: Ich habe das Update 3.0 noch nicht installiert, obwohl mein Auto es heruntergeladen hat. Die haben natürlich ohne es zu ahnen voll ins Schwarze getroffen. Ich denke zwar, dass ich durchaus freundlich war, aber die folgenden Dialoge waren intensiv. Man war sehr offen mit Informationen und erklärte mir, dass das Update 3.0 im Zusammenspiel mit dem Steuergerät J841 für den Update Fail gesorgt hatte. Ob das am Ende wirklich der Zusammenhang war, halte ich für reine Spekulation.

Teuerer Spaß

Da das Updateproblem nicht mehr zu lösen war, musste die komplette Inverter/Leistungselektronik JX1 getauscht werden. Ein Kollateralschaden von EUR 7.500,- zu lasten der Garantie. Die Preisaussage stammte von der Werkstatt. Wie ich inzwischen erfahren habe, ist eine Invertereinheit mit Montage erheblich billiger, daher war der Spaß scheinbar doch nicht so teuer. Im Anschluß wurde dann das Update 3.0 in beiden Teilen auf meinem ID.4 installiert.

1 Woche 3.0

Das Update 3.0 ist unbestreitbar ein sehr großer Schritt nach vorne, aber warum das Infotainment dabei nur auf Version 0363 geht, obwohl VW schon seit Mitte 2022 die Version 0561 auf einigen neuen Modellen (und inzwischen auf allen neuen ID) benutzt, weiß wohl nur VW. Die Version 0363 ist jedenfalls immer noch kein verlässlicher Partner. Schon nach wenigen Tagen zeigten sich gleich mehrere Anzeigebugs, wie ein leeres Rückfahrkamerabild, fehlende Temposchildanzeige – obwohl die ACC Anzeige diese korrekt anzeigt – und funktionslose Tasten am Infotainmentbedienfeld. Also alles wie gehabt.

Flucht nach vorne – ab jetzt 3.1

Dieser blinde Fleck im kleinen Display hatte mich schon immer gestört. Deswegen habe ich in Eigenregie den ID.4 selbst upgedatet. Schade dass VW es bisher nicht fertiggebracht hat, die Kundenfahrzeuge in der Werkstatt auf den Stand 3.2 zu heben, damit alle IDs auf einer Softwareversion sind. Jedenfalls habe ich jetzt einen Softwarestand auf dem ID.4, der performant und stabil läuft. Und es hat nur 20 Monate gedauert…

Fazit

Es war eine anstrengende Zeit von 2.1 bis 3.0 und VW hat bis hierhin gezeigt, dass sie absolut kein Softwareunternehmen sind. Dabei waren die Updates eigentlich immer eine Verbesserung und es gibt Dinge, die der ID viel besser macht, als andere auf dem Markt. Trotzdem: Die einfachen Dinge, mit denen man durch eine gute User Experience punkten kann, hat VW nur schleppend umsetzen können. Besonders nach dem Update Fail, habe ich persönlich das Vertrauen in den Update Prozess vollkommen verloren. Ein OTA Update, bei dem auch Steuergräte geupdatet werden, werde ich ganz sicher nicht mehr installieren. Am Tester oder via USB jederzeit und gerne, denn den Prozess hat VW im Griff.

Für Alle, die das hier lesen und noch auf einer Version unter 3.0 sind: Überlegt Euch gut, ob ihr den OTA Weg gehen wollt. Wer auf Version 2.4 ist, kann jederzeit in der Werkstatt monieren, dass die Ladeorte nicht gespeichert werden. Das gibt es eine TPI, in der VW die Werkstätten anweist, die Version 3.0.5 zu installieren. So kommt jede:r in den offiziellen und sicheren Genuß eines Over-The-Autohaus Updates auf 3.0.

Das Positive

Die aktuelle Softwareversion zeigt, dass VW sehr wohl in der Lage ist, sehr gute Software abzuliefern. Ich erkenne den ID.4 kaum wieder. Die Software ist schnell, funktionsreich und vor allem stabil und fehlerfrei – jedenfalls habe ich bisher keinen Fehler gefunden. Und dann kommt eben noch eines hinzu: VW kann Autos bauen. Das mag den Fanboys bestimmter Marken nicht gefallen und ich rede hier nicht nur von Spaltmaßen. Aber Assistenz, Fahrwerk und Komfort sind einfach so extrem gut, dass ich mir trotz der Probleme einen Wechsel zu bestimmten anderen Gefährten nicht vorstellen kann. Ich habe daher meinen internen Resetknopf gedrückt und schaue nicht mehr auf die Vergangenheit.

Das Happy End

Seit einigen Wochen fährt der ID.4 nun mit der Version 3.1 und positiver kann ein Fazit daraus kaum sein. Die Software zeigt keine Fehler, keine Ausfälle und ist nach wie vor sehr schnell. Es macht richtig Freude mit dieser Software den ID zu fahren. Alle Kritikpunkte, die ich zuvor an der Software (bis einschl. 3.0) hatte, sind mit der aktuellen Version behoben. Ab jetzt kann man rundum (Hardware wie Software) nur eine Empfehlung für den ID.4 aussprechen)

… und noch eine Ergänzung:
Inzwischen fährt der ID.4 mit der Software 3.1 seit 3 Monaten immer noch vollkommen fehlerfrei! Ich bin von der Software und dem Auto in Summe wirklich begeistert. Schade, dass das nicht von Anfang an so war, aber jetzt läuft das richtig rund. Wo es nun auch warm draußen wird und man auf Langstrecken gute Batterietemperaturen bekommt, ist das Laden positiv stressig geworden. Von 14% auf 86% in 25 Minuten ist schon echter Stress. So schnell bekomme ich jedenfalls den Ladeburger nicht mehr verdaut 😉

Der USB Stick

Weil ich so oft danach gefragt werde: Ich habe den USB Stick mit 0561 im Vertrauen bekommen und er befindet sich auch nicht mehr in meinem Besitz. Fragt daher am besten eine engagierte und kompetente Werkstatt. Die können den Stick jederzeit erzeugen.

Mai 2023 – Over The Autohaus Update 3.2

Nicht nur, dass 3.1 schon eine tolle Software ist, VW hat endlich ein Einsehen und bietet ab sofort für alle IDs, die mit einer Software unter 3.0 das Werk verlassen haben, das Update auf 3.2 über das Autohaus an. Das ist eine mutige und kundenorientierte Entscheidung, die VW sicher nicht leichtgefallen ist. Ich wurde nur 3 Tage nach der offiziellen Freigabe proaktiv von VW kontaktiert und am gleichen Tag noch vom Autohaus zum Update eingeladen. Ich persönlich mache mir ja nichts aus OTA Updates. Mir als Kunde ist das Updateverfahren vollkommen gleichgültig. Ich will mit meinem Fahrzeug fahren und brauche keine bunte Spielekonsole. Sicher: Ein Update nehme ich gerne, aber ich bin nicht traurig, wenn ich dazu immer in die Werkstatt fahren müsste. Daher freue ich mich, dass es nun endlich frische Software für alle Bestandsfahrzeuge über die Werkstatt gibt. Im Vergleich zu 3.1 hat 3.2 für mich keine erkennbaren Unterschiede. Die Infotainmentsoftware ist mit Version 0561 gleich geblieben und ich muss jetzt schon einmal ganz heimlich zugeben, dass ich die Spiele doch ganz gerne benutze. Es vertreibt doch ganz nett die Zeit an einer Ladesäule. Außerdem lässt sich mit 3.2 die Option Plug & Charge richtig nutzen.

Fazit ab Software 3.1 / 3.2

VW kann doch Software – es hat nur lange gedauert. Bei aller Kritik, die zu Beginn berechtigt war, muss ich jetzt aber auch festhalten, dass die aktuelle Version 3.2 so gut ist, dass sie sich absolut nicht mehr verstecken muss. Für meine leichte Alterssichtigkeit ist die ID Software sogar alternativlos, weil ich keine andere Fahrzeugsoftware so gut ohne Brille erkennen kann (Schriftgröße und Kontrast). Der ID.4 ist in den genau 2 Jahren, den wir ihn nun besitzen (Juni 2023) tatsächlich besser geworden und gereift. VW hat trotz vieler Rückschläge und Probleme konsequent, zielgerichtet und mit teils schonungsloser Transparenz an der Verbesserung gearbeitet und das ist sehr gut gelungen. Auch wenn ich persönlich kein OTA Update mehr haben möchte, weil mir in diesen Prozess das spezielle Vertrauen fehlt, so hat sich Volkswagen dennoch genug Vertrauen erarbeitet, um den ID ruhigen Gewissens empfehlen zu können. Die Hardware ist ja VW-typisch hervorragend gut und dank des Servicenetzwerkes (Händler und Werkstätten) ist man bei einem etablierten einheimischen Herstellern doch besser aufgehoben… Ja, ich hatte auch schonmal Autos von „exotischeren Marken“ und werde nie wieder ein Auto anschaffen, zu dem es vor Ort keine Werkstatt gibt.

Update 03/2024

Die Software 3.2 funktioniert immer noch. Eine Weiterentwicklung hat es aber seit 1 Jahr nicht mehr gegeben. Warum man sowas wie die manuelle Akkuvortemperierung nicht nachliefern kann, bleibt wohl VWs Geheimnis. Leider gibt es nicht einmal mehr ein UI Redesign, damit die UI mehr nach 4.0 oder auch nur nach der Skoda Variante aussieht. Das man für die Klimatisierung keinen Direktzugriff im Homescreen hat, ist unverständlich. Ja, die Software funktioniert – nicht mehr, nicht weniger und auch nicht schlecht, aber man könnte wenigstens mehr Apps und Improvements anbieten. Es muss ja nichts Großes sein, aber wenigstens soviel, dass man den Eindruck hat, es würde sich etwas tun. Vielleicht mehr Games, Taschenrechner App, Einheitenrechner, Zusatzinstrumente, Fahrtenbuch, Analog UI für den Tacho. Durchaus auch gegen Bezahlung oder Abo.