Die Firma Dangelmaier aus Reutlingen war eigentlich nur für Billigkameras bekannt und arbeitete eher als Lohnfertiger für andere Marken. Das ist durchaus verblüffend für ein Unternehmen aus der frühen Bundesrepublik, waren doch auch damals schon die asiatischen Unternehmen als Lohnfertiger im Kostenvorteil. Die Dacora 35 CC ist, auch wenn sie eine Meßsucherkamera ist, keine Außnahme der Low-End-Philosophie.
Technik
Die Dacora 35 CC hat einen denkbar simplen Aufbau. Das ist grundsätzlich nichts Schlechtes, denn maßgeblich für das Bildergebnis ist das Objektiv. Im Verschluss arbeiten nur 2 Lamellen, die sich zwischen 1/30 und 1/300 Sekunde bewegen lassen. Ein B Modus komplettiert die Verschlußsache. Die Blende besteht ebenfalls nur aus 2 Lamellen, die ein Rechteck bilden. Harmonische Unschärfeverläufe sind damit nicht möglich. Der Filmtransport befindet sich vollständig im Boden der Kamera. Aus dieser Vereinfachung resultiert auch der unten liegende Schnellschalthebel, der direkt auf der Aufwickelspule sitzt und diese 1:1 bewegt. Ebenfalls daran gekoppelt ist die Stachelwalze. Der Drehumfangsausgleich der Aufwickelspule wird über einfache Friktion hergestellt. Mit weniger Teilen kann man eine Kamera kaum herstellen.
Meßsucher
Auch beim Meßsucher wurde der einfachste Weg gewählt, der irgendwie möglich war und setzt damit auf ein 2 Spiegel-System (1 Oberflächenspiegel und 1 Teilspiegel). Der Maskenrahmen sitzt dabei zwischen den beiden Spiegeln. Dadurch, dass sich der gesamte Oberflächenspiegel im Entfernungsmesserfenster dreht, ist keine weitere Optik in diesem Teil des Meßsuchers und der Schwenkspiegel sorgt gleichzeitig für die Einspiegelung der Rahmenlinien und der Belichtungsmessung. Die optischen Teile sind komplett im Sucherfenster eingebaut. Das Chassis der Kamera ist dabei gleichzeitig der Rahmen für den Sucher. Immerhin besteht die Optik aus passend berechneten Linsen, die Sucher und Meßfleck auf die gleiche Größe bringen. Durch den als ganzes drehenden Spiegel, ist man allerdings gezwungen, immer genau mittig durch den Sucher zu gucken, sonst weicht der Meßfleck von der optischen Mitte ab.
Bei meinem Exemplar der Dacora 35 CC musste ich den Sucher restaurieren. Der Teilspiegel war leider nicht mehr brauchbar, da sich die Spiegelbeschichtung aufgelöst hatte. Der neue Teilspiegel besteht aus einem hochmodernen Glas mit Aluminiumbedamfpung, das für perfekte Reflektivität sorgt. Mit dem neuen Spiegel ist der Sucher wirklich sehr gut, aber: Die alten Spiegel aus den 1970ern hatten nicht diese perfekten Eigenschaften, d.h. die Erkennbarkeit des originalen Suchers muss relativ durchschnittlich gewesen sein.
Ein Highlight des Meßsuchers ist allerdings seine überdurchschnittlich hohe Meßbasis für einen Kameras dieser Bauart. Zumindest gewinnt man den Eindruck, hoch präzise fokussieren zu können.
Präzision
Es gibt ganze 2 Justagepunkte: Einen für die Höhe und Einen für die Entfernung. Der Rest der Hebelmechanik ist starr vorgegeben. Bei der Justage merkt man dann leider schnell, dass der Sucher im Fernbereich zwar gut funktioniert, aber im Nahbereich unter 2m immer weiter abdriftet. Punktgenaue, scharfe Nahaufnahmen bei Offenblende sind mit dieser simplen Konstruktion pure Glücksache. Das ist eigentlich schade, denn es wären nur wenig mechanische Teile mehr gebraucht worden, um über einen Zwischenhebel mit Justageschraube eine perfekte Fokussierung zu gewährleisten. Die mechanische Präzision der Kamera ist dabei gar nicht schlecht. Die Teile passen alle ziemlich genau und es wackelt und klappert nichts in der Kamera. Die Elektronik unter der Deckkappe der Dacora 35 CC ist sehr hochwertig gefertigt und lässt sich voll justieren. Ein Anpassung an moderne V625U Batterien ist also problemlos möglich.
Objektiv
Die Linse ist kein Highlight aber auch nicht wirklich schlecht. Ab Blende 5.6 bekommt man hinreichend Schärfe und einigermaßen kontrastreiche Bilder, aber die Bildränder sind bei Blende 4 und besonders bei Blende 2.8 erkennbar unscharf. Ingesamt ist das Auflösungsvermögen der Optik nicht optimal und fällt leider gleichermaßen sofort wie gnadenlos auf. Ab Blende 8 allerdings ist das Bildergebnis recht gut. Mit einer kleinsten Blende von 22 kann man auch die kleinste Verschlusszeit von 1/300 Sekunde noch halbwegs kompensieren. Nun war die Zielgruppe damals auch nicht der professionelle Fotograf und für eine günstige Reisekamera ist die optische Leistung schon in Ordnung. In jedem Fall bildet die Linse besser ab, als die ganzen f3.5 Autofokus-Plastikkameras der 1980er und 1990er Jahre. Ohne Details zu kennen, bzw. ohne das Linsensystem zerlegt zu haben, scheint es sich um einen Drei-Linser zu handeln.
Bedienung
Hier punktet die Kamera voll und ganz. Sie ist leicht und hat ein unkompliziertes Handling. Die Position des Auslösers ist angenehm gewählt und die Taste ist schön groß. So sollte das eigentlich bei jeder Kamera sein. Die Belichtung fokussiert sich (im wahrsten Wortsinne) auf die Blende. Am Blendenring ist ein Fokustab angebracht und wirkt anfangs etwas befremdlich, denn irgendwie erwartet man an einem solchen Tab definitiv den Fokus und nicht die Blende. Der Fokus selbst wird am vorderen Rand des Objektivs eingestellt.
Belichtungsmessung
Die Kamera hat einen gekuppelten Belichtungsmesser, der im Sucher eingespiegelt wird. Dabei zeigt eine Nadel am rechten Rand sehr feinfühlig die mögliche Unter-, oder Überbelichtung an. Das ist schon hilfreich, wenngleich die Erkennbarkeit nicht optimal ist. Besonders in sehr hellen Umgebungen ist die Meßnadel schwer zu erkennen. In der Praxis hilft es aber, den Sucher mit dem Zeigefinger zu verdecken, um die Nadel gut erkennen zu können. Die Messung selbst verfügt über 2 CDS Meßzellen. Die eine sitzt über dem Objektiv an der Deckkappe, die andere Zelle befindet sich neben dem Sucherfenster im inneren der Kamera und erfasst das Licht im Sucher. Der Effekt ist allerdings nicht sehr ausgeprägt, hilft aber durchaus, eine gute Belichtung zu finden. Insgesamt arbeitet die Belichtungsmessung gut. Positiv an der Kamera ist der Umstand, dass man Blende und Verschluss manuell einstellen kann.
Material
Die Dacora 35 CC basiert auf einem Chassis aus Aluminiumdruckguss, welches soweit ausdesignt ist, dass nur wenig Anbauteile nötig sind. Ich mag solche durchdachten Konstruktionen. Die Objektivplatine ist zusammen mit dem Objektiv und Verschluss eine komplette Baugruppe auf einem Messingstanzblech, welches über 4 Schrauben mit dem Chassis verbunden ist. Metall findet man noch bei den Antriebszahnrädern des Transports und als Deckkappe und Bodendeckel. Der Blendenring ist aus Kunststoff. Auch wenn viele Teile eher einfach veredelt wurden, besteht die Kamera überwiegend aus soliden Materialien.
Fazit
Die kleine Dacora 35 CC ist absolut keine High-End-Kamera und ganz klar keine Empfehlung für jene, die an ihre Bilder einen gesteigerten Qualitätsanspruch haben. Sie ist exotisch, handlich und praktisch für die experimentelle Fotografie. Es gibt durchaus gut gemachte Details an der Kamera. In Summe ist das eine nette und spaßbringende Kamera. Es ist erfrischend auch mal mit einer einfachen Kamera zu arbeiten, denn sie zwingt einen zum Umdenken. Fokusunkritische Motive und hohe Blenden sind das Gebot der Dacora 35 CC. Wer das im Gedächtnis behält, kann durchaus schöne Bilder damit produzieren.
Tip
Da die Kamera kein Kontrastwunder ist, empfiehlt sich immer ein Schwarzweissfilm, den man am besten um eine Blende pusht. Ein HP5 bei ASA 800 und Rodinal sind gute Eckpunkte, um mit der 35 CC ein paar Wow-Effekte zu erzeugen. Hochauflösende Filme sind definitiv zu schade für das Objektiv.
Technische Daten
- Mischbild Entfernungsmesser von 1m bis Unendlich, ca. 0,6x
- Zentralverschluss 1/30 bis 1/300 und B
- 42mm Brennweite
- Blende 2.8 bis 22
- Blitz Hotshoe, X-Sync (alle Verschlusszeiten)
- Drahtauslöseranschluss
- Bildzählwerk, selbstrückstellend
- Duale CDS Belichtungsmessung, 1 Batterie vom Typ Varta V625PX (1,35V)
- Stativgewinde