Wenn ein Objektiv keine klare Durchsicht mehr hat, dann gibt es eine Reihe von Maßnahmen, mit denen man die Linse retten könnte. Typische Probleme sind Pilzbefall, Separation von verklebten Elementen, grobe Verschmutzungen und sehr oft Kratzer. Am Ende ist es natürlich der Schweregrad, der über die Maßnahme und den Erfolg entscheidet. Einen leichten Glaspilz kann man meist mit Alkohol oder Aceton reinigen. Bei einer Separation hilft eingentlich nichts anderes mehr, als die Linsen zu trennen und neu zu verkleben und bei Verschmutzungen hilft sicher eine Reinigung. Das Linsen Polieren ist oftmals eine hervorragende Lösung.
Hörtip: Podcast Folge 15: Objektiv retten – Linsen polieren oder als YouTube-Podcast:
Kratzer und Putzspuren
Ein Objektiv hat zwei exponierte Linsen. Die Front- und die Rücklinse. Die Frontlinse ist die Linse, die am meisten leiden muss. Dabei ist es nicht selten eine falsche Lagerung beim Transport oder das falsche Reinigen. In frühen Tagen der Fotografie, waren trockene Papiertücher sehr beliebt. Man sollte diese Tücher eigentlich anfeuchten, aber viele haben seinerzeit einfach mit dem trockenen Tuch über die Optik gerieben. Was anfangs zwar eine saubere Linse hinterlässt, führt nach vielen Jahren der Anwendung zu einem mattzerkratzten Glas. Manch einer nennt es auch Putzspuren, wenn z.Bsp. nur die Vergütung angegriffen ist. Es gibt sicher noch viele andere Gründe, warum eine Frontlinse zerkratzt ist. Ein beliebtes Problem ist es allemal und daher ist auch das Interesse an Reparaturmöglichkeiten groß.
Eins, zwei, viele
Ein Kratzer alleine, hat keine wirkliche Auswirkung auf das Bildergebnis und in zweiter dazu auch nicht. Ist die Linse aber mit vielen feinen Kratzern übersäht, werden die Auswirkungen schon ziemlich dramatisch. Während die Schärfe prinzipiell noch einigermaßen erhalten bleibt, leidet der Kontrast extrem. Zusammen mit dem schwachen Kontrast kommt es zu Überstrahlungen in hellen Bereichen und an den Übergängen von Lichtern zu Schatten werden die Schatten stark aufgehellt, ohne Details zu liefern. Das ganze Bildergebnis ist dann mangelhaft.
Brechung
Durch viele kleine Kratzer wird das einfallende Licht nicht mehr sauber gebündelt, sondern von den Kratzern in alle möglichen Richtungen umgelenkt. Es entsteht dadurch eine „Wolke“ von diffusen Licht im Inneren des Objektives, die sich über die restliche Bildinformation wie ein Schleier legt. Dadurch erklärt sich der schlechte Kontrast.
Ein Leica Summicron 50mm 1:2 mit einer vollflächig zerkratzten Frontlinse. Ein typischer Fall von falscher Handhabung. In diesem Zustand unbrauchbar.
Testbild mit dem Summicron: Wenig Kontrast, Überstrahlung, flaues Aussehen.
Ein Ausweg
Wenn man also so ein typisch zerkratztes Objektiv vor sich hat, dann gibt es 2 Möglichkeiten. Als erstes kann man die Frontlinse gegen eine Neue tauschen. Das ist im Grunde der beste Weg, weil man ein makelloses Glas mit Vergütung erhält und das Objektiv wieder so performt, wie gewollt. Ist ein Objektiv aber schon etwas älter oder viel älter, dann gibt es möglicherweise keine Erstzteile mehr, dann kommen wir nun endlich zur zweiten Möglichkeit:
Die Politur
Das Ziel der Politur ist es, die Kratzer so auszupolieren, dass wieder eine absolut glatte und makellose Oberfläche entsteht. Eine Politur ist ein Schleifverfahren, bei dem mit einem Schleifmittel vom Werkstück Material abgetragen wird. Vom Polieren im Besonderen spricht man dann, wenn der Schliff zu einer extrem glatten Oberfläche führt. Bei Glas wird eine extrem glatte Oberfläche durchsichtig. Bei einer Linsenoberfläche wollen wir logischerweise das Maximum an glatter Oberfläche, um eine perfekte Transmission des Lichtes zu gewährleisten. Dennoch: Es bleibt ein Schleifprozess. Mit einer guten Politur kann man eine beschädigte Glasoberfläche durchaus retten. Es gibt aber einen Nachteil. Viele Linsen sind vergütet, d.h. es wurde über ein elektro-chemisches Verfahren in einer Vakuumkammer eine Beschichtung aufgebracht. Durch eine Politur wird diese Vergütung entfernt. Nun ist es aber auch so, dass i.d.R. die Vergütung auf allen Linsen und immer auch auf beiden Seiten der jeweiligen Linse aufgebracht wurde und damit das Entfernen einer Fläche viel weniger Auswirkung hat, als man vielleicht meint.
Körnung
Die abrasive Wirkung eines Schleifmittels ist immer abhängig von der sog. Körnung. Im Schleifmittel sind kleine, harte Partikel enthalten, die bei Reibung über das Werkstück von dessen Oberfläche Material abtragen. Je feiner die Partikel, desto weniger Material wird abgetragen und desto glatter wird die Oberfläche. Bei der Politur von optischen Gläsern, setzt man Körnungen von 0,2 bis 0,5 micron ein. Das ist wirklich extrem fein und macht Glas perfekt durchsichtig. Aber: Durch den extrem geringen Materialabtrag, dauert das Polieren auch extrem lange. Für das Polieren einer mattzerkratzten Frontlinse, sind 3 Stunden Politur einzuplanen.
Alles oder nichts
Beginnt man mit einer Politur, dann ist man dazu gezwungen, die Arbeit komplett zu beenden. Man kann nicht nach 1 Stunde aufhören und mit einem Zwischenergebnis leben. Das liegt daran, dass sich mit dem ersten Auftragen der Polierpaste die feinen Scheifpartikel in die Kratzer setzen, weil die Partikel kleiner als die Kratzer sind. Im Ergebnis ist die Linse also ersteinmal blind. Die Linse wird erst wieder klar, wenn die Kratzer komplett auspoliert sind und sich somit kein Schleifpartikel irgendwo festsetzen kann.
Gleichmässig und temperiert
Wir wollen bei der Politur auf keinen Fall die Krümmung der Linsenoberfläche verändern. Daher gilt es bei der Handpolitur so gleichmäßig wie irgend möglich zu arbeiten. Niemals zu viel Druck anwenden ist genauso wichtig, wie immer die richtige Temparatur des Poliermittels zu halten. Durch die Reibung entsteht Wärme, die das Wasser im Poliermittel verdunsten lässt. Es muss also permanent Wasser nachgeführt werden. Das Poliermittel darf nicht zu warm werden.
Hilfswerkzeuge
Um möglichst exakt arbeiten zu können, ist für jede Linse eine Form der Linsenkrümmung anzufertigen, die man als Polierhilfe verwendet. Durch die Vorkrümmung des Werkzeugs, lässt sich eine bessere Gleichmässigkeit beim Abtrag erzielen. Ein Drehteller als Linsenauflage und ein Wasserzulauf sind auch wichtige Hilfsmittel für eine erfolgreiche Politur. Zur Kontrolle der Oberfläche ist eine helle und geometrische Lichtquelle sehr hilfreich. HIer lässt sich kontrollieren, ob die Oberflächenreflektion schön gleichmässig ist. Auch feinste Dellen werden so unter einer entsrechenden Vergrößerung gut sichtbar.
Weg ins Licht
Das Schöne an der Linsenpolitur ist Moment, wo die Kratzer auspoliert sind. Man merkt beim Polieren, wie sich der Widerstand ziemlich plötzlich ändert und man beginnt, die Schleifpaste nur noch zu verschieben. Das ist dann der Moment, wo man die Linse das erste Mal mit einem weichen Tuch reinigt und inspiziert. In der Regel kommt dann noch ein finaler Durchgang mit einer feineren Körnung als zuvor, z.Bsp. der Wechsel von 0,5 auf 0,2 micron.
Der Kontrast ist zurück
Ist die Politur erfolgreich beendet, indem die Linse makellos glatt geworden ist (was unbedingt unter einem Mikroskop zu begutachten ist), steht dem ersten Praxistest nichts mehr im Weg. Ich finde es immer wieder verblüffend, wieviel Kontrast man mit einer Politur zurückgewinnt. Die Linsen können danach also wieder ohne jede Einschränkung verwendet werden und sorgen für exzellente Bildergebnisse.
Das polierte Summicron: Satter Kontrast.
Glasklar: Hier hat die Politur das bestmögliche Ergebnis geliefert.
Ohne Vergütung
Sicher: Eine Vergütung ist ein wichtiger Bestandteil des optischen Systems. Mir ist allerdings bei polierten Frontlinsen noch nicht aufgefallen oder berichtet worden, dass die Optik nun spürbar anfälliger für Reflektionen ist. Man muss es auch von der Warte sehen: Mit einer zerkratzten Frontlinse ist das Objektiv ziemlich nutzlos und die Politur holt es zurück ins Fotografieleben.
Kosten
Hier kommt dann auch schon der Nachteil der Politur. Unter 4 Stunden lässt sich eine Frontlinse nicht bearbeiten und es handelt sich hier um eine anstrengende Handarbeit. Zuvor muss am Mikroskop geprüft werden, ob sich eine Politur lohnt, denn sollten die Kratzer auch nur an wenigen Stellen zu tief sein, steigt die Arbeitszeit entweder stark an, oder es macht möglicherweise keinen Sinn mehr die Optik zu retten.
Fazit
Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, kann eine Linsenpolitur ein kleines Wunder vollbringen. Wie man hier am Beispiel des Leica Summicron 50 sehen kann, ist ein exzellentes Objektiv entstanden, was ab jetzt wieder viele schöne Bilder produzieren wird. Bei einem Leica Glas sind die hohen Kosten natürlich eher zu vertreten, als bei anderen Linsen.
Bernhard Hans 1. Februar 2022
Hallo Matz,
Ich muß jetzt endlich einen Kommentar schreiben. Wenn Du Dich erinnerst, hast Du mein Summilux gerettet. 2 Werkstätten zuvor haben eine Reparatur abgelehnt. Die eine Werkstatt hat sogar behauptet, daß ein Polieren generell nicht machbar ist.
Das Summilux ist dank Deiner Arbeit wieder ein Traum. Ich bin jeden Tag aufs Neue von Deiner Handwerkskunst begeistert und habe nie gedacht, daß mein Summilux jemals wieder so ein makelfreies Glas haben könnte.
Liebe Grüße und mach weiter so,
Bernhard
Matz 1. Februar 2022 — Autor der Seiten
Vielen Dank, Bernhard.
Ich erinnere mich gut und viel Spaß mit dem wundervollen Objektiv.
Gruß, Matz
Gerhard Hauk 2. März 2022
Hallo,
ich habe eine Frage,
ich benutze ein Fernglas Bausch und Lomb, beide Okulare sind etwas Trüb,
und müssten bearbeitet werden, führen Sie solche Arbeiten aus.
mit welchen Kosten muss man Rechnen.
Gerhard Hauk
Matz 2. März 2022 — Autor der Seiten
Hallo Herr Hauk,
für Ferngläser bieten wir leider keinen Service an.
Viele Grüße
Michael 2. Januar 2023
Hallo
Ich suche Politur mit 0,5 micron.
Ich finde sie leider nicht im Netz.
Kann mir jemand helfen.
Gruß
Michael
Martin Hufnagel 28. Oktober 2023
Hallo ich müsste eine fehlende Frontlinse in ein Voigtländer 35/2,5 VM einsetzen (lassen), machen Sie das? Was würde das kosten? die Linse ist da. Antwort bitte an Email Adresse.
Vielen Dank und beste Grüße
Martin