Wenn es darum geht, alle denkbaren Features in eine handliche Meßsucherkamera hineinzubauen, dann ist die Minolta Hi-Matic 9 für das Jahr 1966 ganz vorne mit dabei. Und dabei ist sie eine typische Minolta, die nicht einfach nur zeitgenössischen Kamerabau kopiert. Im Inneren geht die Hi-Matic ihren eigenen Weg.
Minolta Hi-Matic 9 im Überblick
die Hi-Matic 9 kam zeitgleich zur 7s auf den Markt, legte aber noch ein klein wenig oben drauf. Als Topmodell der Serie verfügte sie über ein verbessertes Objektiv. Ein besseres Coating und einen Hauch mehr Lichtstärke von 1:1.7 als das 45mm 1:1.8 der 7s durfte den Kunden überzeugen und ein automatisches Blitzsystem war auch an Bord. Auch die 1/1 statt der 1/2 Sekunde der 7s sprechen für die 9.
Die Hi-Matic 9 verfügt über einen voll automatischen Modus und einen voll manuellen Modus. Anders als bei den meisten anderen Konkurrenzprodukten, kann man die Minolta in den Modi M, A, S und P benutzen, also Manuell, Blendenpriorität, Verschlusspriorität und Programmautomatik. In der Programmautomatik wird in Abhängigkeit des gemessenen EV Wertes eine lineare, fest vorgegebene Kombination aus Blende und Verschluss gewählt. Diese Programmautomatik funktioniert mechanisch nach dem gleichen Prinzip wie die automatische Blende.
Objektiv
Die optische Leistung des Rokkor PF 45mm 1:1.7 ist herausragend. Wer die berechtigt hohe Erwartung an ein lichtstarkes Rokkor stellt, wird hier nicht enttäuscht. Satte Kontraste, hohe Schärfe und eine angenehm geringe Empfindlichkeit für Gegenlichtsituationen, zeichen die Linse aus.
Im Inneren werkelt leise ein Seiko FLA Zentralverschluss mit Blendeneinheit. Blendenring und Kurvenring werden hier mechanisch vom Auslöser gedreht, wenn die Kamera auf AA (Programmautomatik) gestellt ist. Dadurch ergibt sich eine höhere Kraft, mit der der Auslöser gerückt werden muss. Das ist nicht viel, aber spürbar.
Belichtungsmessung
Über eine CdS Zelle wird der Lichtwert bestimmt. Nur dieser Wert wird in der Skala im Sucher angezeigt. Das ist im Hinblick auf den P Modus konsequent, aber etwas ungeschickt in A und S. Als Hilfestellung in der Halbautomatik, sind am Blendenring EV Werte eingraviert. Man braucht die Hilfestellung aber nicht wirklich, da die Minolta Hi-Matic 9 zwischen 5,5 und 17 EV in allen Modi einen hervorragenden Job macht. Sie ist eine wirklich ausgezeichnete Point and Shoot Kamera.
Power OFF
Fast keine andere Kamera dieser Zeit und Bauart hatte dieses Feature: Die Hi-Matic 9 lässt sich über den ASA Ring richtig ausschalten. OFF bedeutet also keinen Stromverbrauch und keine leere Batterie. Diese Funktion vermisse ich persönlich bei allen anderen kompakten Messsuchern dieser Zeit.
Filmindikator
Wie bei vielen Minolta Kameras, besitzt auch die Hi-Matic 9 ein Kontrollfenster für den eingelegten auf aufgespulten Film. Verschwindet beim Zurückspulen des Films die rote Markierung, ist der Film aus der Aufwickelspule heraus und kann entfernt werden. Sehr praktisch, wenn man steuern möchte, ob der Film noch aus der Patrone herausgucken soll.
Das CLC System
Warum Minolta diese Messung CLC genannt hat, wird wohl immer fraglich bleiben. Bei anderen Minolta Kameras funktioniert das Contrast Light Compansation System mit 2 Meßzellen. Das macht Sinn, weil es ja darum geht, aus 2 unterschiedlichen Meßbereichen, eine korrekt Messung zu ermitteln. Die Hi-Matic 9 verwendet aber nur eine CdS Zelle. Der Erfassungswinkel ist größer, als sonst üblich bei diesem System und am Galvanometer befindet sich eine dreigeteilte Schaltung mit je 3 justierbaren Widerständen. Eine Theorie wäre, dass diese Schaltung die nicht-lineare Kurve der Meßzelle kompensiert, was durchaus Sinn ergibt. In der Praxis ist die Messung der Minolta die mit Abstand genaueste jener Zeit. Wer Diafilm per Automatik belichten will, der ist bei der Hi-Matic 9 genau richtig aufgehoben.
Die Fakten
- Rokkor PF 45mm 1:1.7
- Seiko FLA
- 1/1 bis 1/500 und B
- Blende 1.7 bis 16 in ganzen Stufen
- ASA 25 bis 800
- CLC Belichtungsmessung, abschaltbar
- Blitzautomatik
- Programmautomatik P
- Blendenpriorität A
- Verschlusszeitenpriorität S
- Manuell M
- Hotshoe mit Mittenkontakt
- Synchronisation für Elektronenblitze mit zusätzlicher Sync-Buchse
- Vorlaufwerk ca. 8 Sekunden
- Batterietest
- Mischbildentfernungsmesser mit Parallaxenausgleich
- EV Skala im Sucher
- Bildzählwerk mit automatischer Rückstellung
- Stativgewinde
- Betrieb mit Varta V625U möglich
Der Meßsucher
Der Meßsucher der Hi-Matic ist gut, aber nicht auf dem Niveau der Konica Auto S2. Seine Basis ist vergleichbar groß und insgesamt ist er sehr gut zu gebrauchen. Im Zusammenspiel mit den anderen tollen Features der Minolta, enttäuscht der Sucher auf einem hohen Niveau.
Die Minolta Hi-Matic 9 gehört zu den besten Optionen unter den kompakten Messsucherkameras und empfiehlt sich für jeden, der gerne mit einer Kamera dieser Bauart arbeiten möchte.
Thomas Josiger 14. September 2021
Ich habe ein sehr schönes Exemplar, das mechanisch sehr gut funktioniert. Also alle Zeiten (auch die langen) laufen augenscheinlich sehr gut und exakt. Sogar der Vorlauf geht (ist ja oft ein Problem bei alten Kameras). Auch der Sucher ist sauber und fokussiert gut. Aber ich habe ein Problem mit dem Belichtungsmesser. Es scheint nicht das alte Problem zu sein, dass ein Kabel wegen ausgelaufener Quecksilberbatterie abkorrodiert ist. Sondern etwas anderes. Lege ich die Kamera auf den Rücken, geht der Belichtungsmesser erst einmal. Nehme ich sie hoch, kann ich sehen, wie sich der Zeiger je nach Licht verändert. Aber dann bleibt er bei irgendeinen Wert stecken. Dort bleibt der Zeiger dann auch. Erst wenn ich die Kamera wieder ablege, wandert er meistens wieder in eine Stellung, die dem einfgefallenen Licht entspricht. Ich tippe darauf, dass irgendwas das Zeigerelement blockiert. Lässt sich sowas mit einem vertretbaren Aufwand machen? Wie gesagt, mechanisch geht die Kamera tadellos.
Matz 16. September 2021 — Autor der Seiten
Hallo Thomas,
aus der Ferne lässt sich das schwer beurteilen, aber ich tippe eher auf einen losen Widerstandsring im Objektiv. Das ist jedenfalls meistens der Grund für das geschilderte Problem. Wäre es das, dann dauert die Reparatur nur ein paar Minuten.
Gruss, Matz
Michael Müller-Czerniak 31. März 2023
Hey, vielleicht hast Du einen Rat auf die Ferne. Meine HM9 zeigt mit der Varta v625u beim Batterie Check den Ausschlag am unteren Rand des Rechteckes an, beim Fotografieren aber immer nur Ausschlag ganz oben…
Matz 31. März 2023 — Autor der Seiten
Mit der modernen V625U zeigt die 9 immer etwas unterhalb der Markierung an, weil die Spannung höher ist als bei den damaligen Quecksilberbatterien. Im Batterietest wird der Belichtungsmesser überbrückt und zeigt einfach nur ein Äquivalent der Spannung an. Wenn die EV Anzeige nicht aus dem oberen Drittel herauskommt, ist die CdS-Zelle defekt. Test: Stelle die Kamera auf ISO 250 und richte die Kamera zur Mittagszeit in den wolkenlosen Himmel. Die Nadel muss dann EV 16 anzeigen. Wenn nicht, müsste wohl geschraubt werden.
Marcus 29. Juni 2023
Hi, hatte Glück ein schöne Exemplar zu bekommen . Leider braucht das Schätzen noch etwas Zuwendung. Der Strom Anschluss mag noch nicht so richtig im Automatik Modus und die Blenden und der Verschluss klemmt ab und an . Ich hab die Blenden Ringe und Verschluss Blätter schon gereinigt bekommen – soweit es geht . Doch sobald alles zusammen gebaut ist hakt die Blende beim Wechseln von 1,7 auf die andern Blenden . Gibts da einen Trick ? In den alten Service Handbüchern konnte ich nichts finden .
Viele Grüße