Wenn man die einschlägigen Onlineplattformen durchsucht, findet man die Voigtländer Vitoret DR nicht selten in der Rubrik „Zu Verschenken“, oder zu extrem günstigen Preisen. Auf Flohmärkten wechselt die Vitoret DR in der Regel für unter 10 Euro den Besitzer. Damit ist die Vitoret DR eine der billigsten Möglichkeiten mit einem Meßsucher zu fotografieren.
Wahre Größe
Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Voigtländer hat der Vitoret DR einen 1,0x vergrößernden Meßsucher spendiert und es gibt wirklich nicht viele Kameras, die in diese Sphären vorstoßen. Der große Sucher der Leica M3 kommt auf 0,9x und das majestätische Konstrukt der Konica IIIa auf satte 1,0x. Da hat sich die Vitoret DR schon sehr große Brüder gesucht. Allerdings wollte Voigtländer damit nicht die Profiliga verwöhnen, sondern der Sucher der Vitoret ist so simpel aufgebaut, dass er gar kein ausgefeiltes optisches System im Sucher besitzt: Eine schwache Sammellinse vor dem Sucher und ansonsten nur 1 Teilspiegel und ein beweglicher Oberflächenspiegel für den Meßfleck. Fertig. Nicht mehr nicht weniger. Aus dieser extrem simplen Konstruktion folgt in Konsequenz, dass der Sucher einfach nur ein 1:1 Abbild der natürlichen Umgebung darstellt. Doch was soll uns das stören? Der Sucher ist hell und klar und perfekt zu fokussieren, worauf es am Ende ja auch nur ankommt.
Fliegengewicht
Für 1968 ist die Vitoret DR schon sehr leicht. War es doch eine Zeit, wo eher noch auf Heavy Metal in der Kamerafertigung wertgelegt wurde (und ein Leica M Body treibt zur Not auch mal einen Zimmermanns Nagel ins Holz). Doch die Vitoret DR ist eben eher im unteren Preissegment angesiedelt und zeigt dem Fotografen das, was ich an vielen „günstigen“ Voigtländern nie wirklich mochte und was ich gerne mal spöttisch als Pressblech bezeichne. Um das Aluminium-Spitzguss-Chassis ist etwas gebogenes Blech getackert, dazu noch etwas Plastik und ein simpler Zentralverschluss und fertig ist die Kamera. Das ist aber nichts Schlechtes, denn nicht jeder geht mal eben in den Fotoladen und kauft sich eine Leica M4 (ohne Belichtungsmesser), um Tante Ernas Geburtstag zu fotografieren. Für den Preis einer Leica Kameratasche (Achtung Ironie) bekommt der Kunde hier eine Komplette Kamera mit eingebauten Belichtungsmesser).
Die Linse
Das Color-Lanthar ist eine vergleichsweise einfache Konstruktion, macht aber dem Ruf der scharfen Voigtländer Linsen alle Ehre. Und ja: Das können die bei Voigtländer einfach. Scharf und kontrastreich und das auf einem Niveau, wo man auch heute nicht bereuen muss, mit der Vitoret DR fotografiert zu haben. Das 50mm 1:2.8 ist zwar nicht ein Wunder an Lichtstärke, dafür aber klein, leicht und kompakt.
Alles, was man braucht
Der Vitoret DR fehlt eigentlich nichts. Der Prontor 300 Zentralverschluss hat zwar kein Vorlaufwerk und synchronisiert nur auf Elektronenblitze zuverlässig, aber für alles andere, was im Alltag wichtig ist, wurde gesorgt. Selbst einen Anschluss für einen Drahtauslöser hat man an der Unterseite des Auslösers versteckt. Das Bildzählwerk stellt sich selbstständig beim Öffnen der Rückwand zurück und der Aufzug geht sehr leicht und leise.
Belichtung
Der eingebaute Belichtungsmesser ist hinreichend präzise – sofern die Selenzelle nicht erschöpft ist – und kann in der Praxis sehr gut verwendet werden. Entgegen anderer Voigtländerkameras, kann man Verschluss, Blende und Fokus gut bedienen, ohne viel suchen zu müssen. Der Verschluss bietet Zeiten zwischen 1/30 und 1/300 und B. Das reicht für gutes Licht bei ASA250 aus, aber bei weniger gutem Licht ist die Kombination der 2.8er Offenblende bei 1/30 schon eingeschränkt. Obenherum geht es bis Blende 22, was zusammen mit der 1/300 noch ausreicht, um die Sunny Sixteen Methode bei ASA 250 komplett ausnutzen zu können.
Technische Daten
- Gekuppelter Mischbildentfernungsmesser 1,0x von 1,0m bis Unendlich
- Prontor 300 Zentralverschluss von 1/30 bis 1/300 und B
- 50mm 1:2.8 Color-Lanthar
- Drahtauslöseranschluss
- Stativgewinde 1/4″
- Bildzählwerk selbstrückstellend
- Belichtungsmesser von 12 bis 3200 ASA (Selenzelle)
- Schnellschalthebel
- Coldshoe für Zubehör
- Syncbuchse für Elektronenblitze
Fazit
Wer den schnellen Meßsucherspaß für Zwischendurch sucht und möglichst wenig investieren will, der bekommt mit einer gut erhaltenen Vitoret DR viel Kamera fürs Geld. Wen das gebogene Blech und die einfache Verarbeitung nicht stört, der bekommt eine gute Bildqualität und den Charme der späten 1960er in einem verchromten Gehäuse serviert. Ich schätze das Objektiv sehr und kann es daher nur empfehlen.
Alexander 19. Juli 2024
Moin,
genau so eine habe ich – leider ist gestern der Entfernungsmesser ausgefallen. Eventuell ist auch die Linse des Objektivs dejustiert. Hatte dazu Probeaufnahmen entwickelt.
Können Sie das richten?
Habe vorsorglich damals etliche Gehäuse als Spender gesammelt.