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Ohne Belichtungsmesser – Sunny 16 Spezial

Man neigt vielleicht dazu in Panik zu verfallen, wenn man sich vorstellt, man habe eine Kamera ohne Belichtungsmessung und soll einen Film korrekt belichten. Wahrscheinlich halten die meisten unter uns genau das für unmöglich, doch es ist im Grunde kinderleicht. In diesem Beitrag erkläre ich meine Sunny 16 Spezialmethode, mit der ich ohne jegliche Belichtungsmessung immer korrekt belichtete Bilder produziere.

Jetzt als als Podcast Folge: Sonny Sixteen – Ohne Belichtungsmesser

Als erstes brauchen wir die Regel selbst. Die Sunny 16 Rule sagt: “Nimm den Kehrwert der Filmempfindlichkeit als Verschlusszeit und wenn die helle Sonne harte Schatten wirft, stelle Blende 16 ein.

Beispiel: Du hast einen Ilford FP4+ mit 125 ASA. Also stellst Du die Verschlusszeit auf 1/125. Die Sonne brennt vom Himmel und die Schatten sind hart? Dann Blende 16. Du belichtest also mit 1/125 bei Blende 16.
Gibt es die Verschlusszeit nicht direkt, z.Bsp. bei ASA 400 die 1/400 sec. dann nimmt man die nächstgelegene, in dem Fall 1/500.

Die Ausfahrt sollte man wirklich freihalten. Belichtung: Frei Hand 🙂

Sind auch ein paar Wolken am Himmel, nimmt man Blende 11. Ist es bewölkt, Blende 8 und wenn es dunkle Regenwolken sind Blende 5,6.

Die Sunny 16 Regel ist nichts Neues und hinreichend gut im Netz beschrieben, daher kann ich nur ermutigen sich vielleicht das eine oder andere Tutorial dazu anzusehen oder durchzulesen.

In diesem Beitrag ergänze ich die Sunny 16 Regel, um ein paar persönliche Weisheiten, die mir helfen immer korrekt zu belichten.

Relativ dunkel. Geschätzt auf 10 EV und mit f2.8 belichtet.

Ich bin ein bekennender Fan des FP4+ 125. Der Film hat den Vorteil, dass er eine Nenn ISO von 125 hat und dieser Wert direkt als Verschlusszeit einstellbar ist. Wenn man bei ISO 125 nach Sunny 16 arbeitet und die man Blende 16 wählt, dann hat man ca. 15 Lichtwerte (EV).

Jetzt wird’s easy: Ich nehme am liebsten ISO 250. Zu einem bringt das einen tollen Allzweckbelichtungsbereich, zum anderen entspricht helles Sonnenlicht mit harten Schatten ca. EV 16.

Ich habe also als Bezugsgrößen Blende 16 und EV 16. Wenn der Himmel dicht bewölkt ist und ich 13 EV Licht habe, muss ich als 16-13 = 3 Lichtwerte von meiner Bezugsgröße abziehen. Wir erinnern uns an die Blendenreihe…

16 – 11 – 8 – 5,6 – 4 – 2,8 – 2 – 1,4

In der Praxis zähle ich nur noch die Klicks am Blendenring und stelle die Blende auf 5,6. Oder ich stelle die Blende auf 8 und dafür die Verschlusszeit auf 1/125.

Ein harter Schatten, wie aus dem Sunny 16 Bilderbuch.

Noch ein Beispiel: Ich fotografiere in einem mäßig beleuchteten Innenraum mit 7 EV. 16-7 = 9. Ich muss also 9 volle Belichtungsstufen von der Sunny 16 abziehen. Ich kann also 6 Blenden weniger nehmen und f2 einstellen und die restlichen 3 Stufen von der 1/250 abziehen und lande bei 1/30. Da Film sehr tolerant ist und 1/30 zum Verwackeln neigt, nehme ich 1/60.

Jetzt stellt sich nur die Frage: Wie schätze ich die EV?
Dazu eine kleine Liste als Hilfsmittel.

  • Grelle Sonne überwiegend helle Flächen (Sand/Schnee): 17 EV
  • Helle Sonne, harte Schatten: 16 EV
  • Sonne, ein paar Wolken, weiche Schatten: 15 EV
  • Bewölkt: 14 EV
  • Regenwolken ohne Regen: 13 EV
  • Regenwolken mit Regen: 12 EV
  • Einsetzende Dämmerung: 11 EV
  • Heller Innenraum mit wenig Reflektionsflächen: 10 EV
  • Künstlich ausreichend beleuchteter Innenraum: 9 EV
  • Künstlich mittel beleuchteter Innenraum 8 EV
  • mäßig beleuchteter Innenraum 7 EV

Ergänzend hierzu muss man die dunklen Flächen im Bild betrachten. Wenn mind. 1/3 des Bildes von sehr dunklen Bereichen gefüllt werden, sind 2 EV mehr Licht ins Objektiv zu lassen, also z.Bsp. die Blende um 2 Stufen weiter öffnen.

Am Ende muss man also nur ein Gefühl für den Lichtwert bekommen und damit ausgehend von 16 anfangen zu zählen

Herausforderung für den humanioden Belichtungsmesser.

Das Beitragsbild oben, stammt aus einem Film der Leica M4 mit Voigtländer Nokton 35mm f1.4 MC. Das Setup in Verbindung mit dem Ilford FP4+ bei 250 ASA erlaubt einen sehr großen Spielraum bei toller Qualität. Einen Belichtungsmesser verwende ich bei Schwarzweiss-Filmen grundsätzlich nicht mehr. An diesem Tag war das Wetter bedeckt und die Vorderseite des verfallenen Gebäudes lag im Schatten. Durch den Lichtschacht fiel das Licht des bedeckten Himmels auf den Stahlträger. Für mich sah das nach 13 EV im hellen Bereich und 8 EV im vorderen Bereich aus. Also habe ich bei ASA 250 die Verschlusszeit 1/250 bei Blende 5,6 eingestellt und dann nochmal nach Gefühl eine halbe Blende weiter aufgemacht. Das Bild ist perfekt belichtet.

Man muss das Ganze üben. Sehr hilfreich für mich, war beim Lernen der EV Werte der Gossen Digisix. Er zeigt auf Knopfdruck den EV Wert an. Wenn man das oft genug gemacht hat, kann man die Messung sehr präzise schätzen und wenn der Digisix dann nett zu Dir ist und dich im entscheidenden Moment wegen einer leeren Batterie im stich lässt, kannst Du alleine laufen.

Das menschliche Auge kann Unterschiede in der Lichtmenge in 10% Änderungen erkennen und unterschieden. Die Blendenreihe arbeitet mit der Verdoppelung der Lichtmenge. Es gibt als keinen Grund, unser Sehvermögen nicht zum Belichtungsmesser zu trainieren.

In diesem Sinne: Lasst Eure Belichtungsmesser zu hause und übt die Sunny 16 Regel.

Sieben.
Alle Bilder in diesem Beitrag sind ohne Belichtungsmesser entstanden.

Verwendetes Equipment und Workflow

  • Leica M4
  • Voigtländer 35mm 1.4 Nokton Classic M.C. VM
  • Matz (für die Lichtmessung, Filmtransport, Motiverkennung, etc.)
  • Ilford FP4+ 125, bei ASA 250
  • Kodak XTOL in Verdünnung 1+1
  • Adox Schnellfixierer
  • Epson V750 Pro mit Epson Scan, Ausgabe als TIFF
  • Nachbearbeitung in Apple Fotos

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10 Kommentare

  1. Gerolf Schwarz 3. Mai 2019

    wow !!! und ich dachte immer, man muss den Kontrastumfang messen, also nach Zonensystem um überall Zeichnung nach pullen oder pushen bei der Filmentwicklung zu bekommen.
    … im übrigen ist der FP4+ auch mein Lieblingsfilm !

    Grüße
    Gerolf

    • Matz 3. Mai 2019 — Autor der Seiten

      Die Methode erhebt keinen Anspruch auf wissenschaftliche Perfektion 😉 Sie funktioniert einfach.
      Gruss, Matz

  2. Mario 8. Mai 2019

    Hi Matz.
    Ich habs probiert und was soll ich sagen? Fast alle Bilder sind super geworden. 2 Bilder sind viel zu dunkel. Übung, oder? Danke für den klasse Tip, weil ich mich nie so richtig gerne mit meiner M3 rausgetraut habe 😀
    Ciao sagt Mario 🙂

  3. Holger Wessling 8. Mai 2019

    Moin.
    Danke für den schönen Bericht.
    Deine Bilder hier haben eine erstaunlich gute Qualität. Sind die wirklich mit dem Epson Scanner gemacht worden? Ich scanne mit einem V800, bekomme aber sehr körnige und eher unscharfe Bilder. Hast Du da einen Tip?
    Holger

    • Matz 8. Mai 2019 — Autor der Seiten

      Hallo Holger,

      ja – alle Negative sind mit dem V750 gescannt. Als erstes musst du prüfen, ob die Fokusebene stimmt. Dazu kannst Du ja die Höhe des Filmhalters einstellen. Nach ein paar Probescans, solltest Du die optimale Einstellung gefunden haben. Als zweites, sind die Softwareeinstellungen dran. Ich verwende schon lange keine Zaubersoftware mehr, die meint beim Scannen das Bild optimieren zu müssen. Die Ergebnisse taugen aus meiner Sicht nichts. Ich scanne mit Epsonscan in ein Tiff ohne jegliche Bildanpassung, d.h. Ich markiere alle Frames und klicke auf „zurücksetzen“ und deaktiviere alle Optionen. Als Auflösung nehme ich 3200 dpi. Das Tiff importiere ich in Apple Fotos und gehe auf Bearbeiten. Dort passe ich meistens nur den Kontrast an, weil die Scans sehr flach sind. Gegen die Körnigkeit hilft die Option „Störungen reduzieren“. Zum Schluss stemple ich noch Staub oder Fusseln weg. Fertig ist ein Bild, was sich bis A4 gut verwenden lässt.

      Gruss, Matz

      • Holger Wessling 9. Mai 2019

        Vielen Dank!!! Das mit der Höhe hatte ich schon beachtet. Auf die Idee die Bildbearbeitung erst nach dem Scan zu machen bin ich nicht gekommen. Das Ergebnis ist VIEL besser! Bisschen aufwändiger ist es. Richtig toll wär das wenn das wie von der Software versprochen automatisch geht.
        Holger

        • Matz 9. Mai 2019 — Autor der Seiten

          Hallo Holger,
          Du hast den entscheidenden Punkt entdeckt 😉 Die Automatik von Epsonscan ist einfach schlecht. Besser ist es da Silverfast zu nehmen, falls einem die Software liegt, oder am besten Vuescan -> https://www.hamrick.com/
          In beiden Fällen, muss man sich durch experimentieren an die optimalen Einstellungen herantasten. Ich empfinde es inzwischen als weniger lästig, wenn ich die guten Bilder eben schnell in Apple Fotos selber bearbeite.
          Gruss, Matz

  4. Joachim Ferrang 16. Juli 2020

    Hallo,

    sehr interessant!

    Du schreibst “Wenn der Himmel dicht bewölkt ist und ich 13 EV Licht habe, …) wie kommst du auf die 13 EV oder 10 EV usw.?

    Die Sunny 16 Rule ist doch fixiert auf grelles lich, leicht bewölkt, bewölkt usw. mit ihren jeweils vorgeschlagenen Blenden. Die Regels sagt z.B. bei “dicht bewölkt” eine Blende von 5,6 – du hingegen kommst auf 13. Das verwirrt mich etwas, ggf. kannst du mich da aufklären, bitte.

    Grüße

    Joachim

  5. Sebastian 1. März 2022

    Hi Matz,

    Was meinst du mit dem Satz: Ich nehme am liebsten ISO 250 ? Meinst du damit einen Film mit ISO 250, der dann an der Kamera auch auf Nenn-ISO eingestellt wird, oder meinst Du damit, dass du den Ilford ISO 125 Film auf der Kamera mit ISO 250 einstellst (was einer Unterbelichtung gleich kommen würde),…. Wahrscheinlich ersteres, weil ja beim belichten ohne Belichtungsmesser es vollkommen egal ist, was man als ISO an der Kamera eingestellt hat

    • Matz 1. März 2022 — Autor der Seiten

      Hallo Sebastián,
      Ich belichte den FP4+ mit 250 ASA anstatt der Nenn-ASA von 125. Ich Pushe den Film also um 1 Blende. Das lässt sich nicht nur leichter rechnen, sondern liefert kräftige Kontraste. In der Entwicklung muß ich das natürlich berücksichtigen und die Entwicklungszeit verlängern.
      Gruß, Matz

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