Die Yashica Lynx 14 gehört zu den Kameras, bei denen man intuitiv “wow” sagt, wenn man sie das erste mal in den Händen hält. Das Gehäuse ist ja schon mächtig, aber das gewaltige Objektiv ist beeindruckend. Nicht nur wegen seiner hohen Lichtstärke, sondern wegen der Größe. Es braucht schon einen stattlichen Blendendurchmesser, um die Blendenzahl 1,4 zu erreichen und da wir es hier mit einem Zentralverschluss zu tun haben, muss eben auch dieser im Objektiv untergebracht werden.
Der Kaffee ist fertig
In der Konsequenz hat man fast den Eindruck, einen Kaffebecher in der Hand zu halten. Ein Kaffeebecher, der herausragende Bildergebnisse liefert. Ein gutes Glas ist das A und O eines technisch guten Bildes und auch wenn das gute Glas niemals schuld am eventuell schlecht gewählten Motiv hat, so ist es doch immer bestimmend für das Ergebnis. Das Yashinon 45mm 1:1.4 ist der Beweis dafür, das nicht nur Leica gutes Glas herstellen konnte und ich würde kühn behaupten, dass man den Unterschied zu einem Summilux der gleichen Zeit sehr lange suchen muss. Solange bestimmte Parameter zutreffen.
Schärfe und Gegenlicht
Das Yashinon ist unglaublich scharf und das schon ab Offenblende, bietet aber gleichzeitig ein wundervolles und harmonisches Bokeh. Besser ginge es eigentlich kaum, wenn da nicht eine eklatante Schwäche im Gegelicht wäre. Dabei ist es nichteinmal der Kontrast der zu stark abnimmt, sondern die Flares, die sich um helle Lichtquellen ergeben. Das kann auf der einen Seite ein sehr stimmungsvoller Effekt sein, auf der anderen Seite aber auch stören, denn es bildet sich im Prinzip immer ein Heiligenschein um sehr helle punktförmige Lichter, die auf der optischen Achse des Objektivs liegen. Man muss schon reativ weit aus der Mitte schwenken und abblenden, um diesen Effekt zu vermeiden.
Charakter
Aber genug der Kritik, denn insgesamt vereint die Yashica Lynx 14 mit ihrem Objektiv Lichtstärke mit Schärfe und Charakter wie kaum eine andere. Ganz alleine war die Yashica Lynx mit ihrer Lichtstärke nicht. Mit der Mamiya Deluxe wurde eine verblüffend änliche Kamera mit einem 1:1.5 Objektiv etwa zeitgleich verkauft und die etwas spätere Konica Auto S1.6 dürfen wir auch nicht vergessen. Jene Konica hat jedoch eine deutlich besser vergütete Optik und macht sich nichts aus Gegenlicht.
Zurück zur Yashica Lynx 14, deren bestimmendes Thema eigentlich das herausragende Objektiv ist, doch an dem Objektiv hängt ja noch eine Kamera. Wie bei den kompakten Yashicas üblich, ist die Kameras selbst eine sehr einfach und preiswert gehaltene Konstruktion. Sie ist zwar ordentlich verarbeitet aber der Rotstift ist allgegenwärtig. Das fängt beim Finish an: Die Oberflächen wurden nicht aufwändig in mehreren Stufen gleitgeschliffen, sondern nur in einem Durchgang mattiert und dann glanzverchromt. Die samt-matte Struktur einer Leica findet man hier nicht. Das Chassis ist Druckguss und positiver Weise sind alle bewegten Teile der Mechanik aus Metall gefertigt. Auch wenn die Kamera also nicht ein Hightech-Produkt der Zeit darstellt, dürfte sie dennoch nahezu ewig halten.
Der Meßsucher
Der Meßsucher hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Er ist zwar gut zu erkennen, aber die 0,7x Vergrößerung hätte bei der Brennweite und der Lichtstärke wirklich nicht sein müssen. Positiv aber ist die große Meßbasis zusammen mit dem großen Verstellweg am Objektiv. Einer genauen Fokussierung steht nur das eigenen Sehvermögen entgegen. In dunklen Umgebungen ist die Erkennbarkeit nicht optimal, aber beherrschbar.
Die Belichtungshilfe
Die Kamera verfügt über einen eingebauten Belichtungsmesser ohne Koppelung an eine Automatik, d.h. die Belichtung wird immer manuell eingestellt und der Belichtungsmesser dient als Meßhilfe. Über Schleifwiderstände im Objektiv wird ein kummilierter EV Meßwert an die CdS Messzelle “übergeben” und darüber eine Meßnadel bewegt. Diese Nadel zeigt nur Unter- oder Überbelichtung an und das nicht sonderlich genau. Darüberhinaus ist das Anzeigeintrument empfindlich gegenüber der Kameraposition. Richtet man die Kamera nach oben, dann kann das eine gehörige Abweichung ergeben. Es ist also ratsam, die Messung immer waagerecht durchzuführen. Aktiviert wird der Schaltkreis über einen Taster vorne an der Kamera.
Die Justage des Belichtungsmessers erfolgt mechanisch und lässt keine brauchbare Linearität zu. Besonders bei wenig licht, ist das Ergebnis nicht optimal. Zusammen mit der eventuellen Alterung der Meßzelle, ist entweder ein Austausch der Fotozelle oder ein Umlöten auf passende Vorwiderstände erforderlich. Ein einfach umstellen auf 1,5V Batterien, wie man es bei vielen anderen Kameras machen kann, ist bei der Yashica Lynx 14 nicht möglich.
Das sollte aber niemanden abschrecken, denn der Belichtungsmesser ist ohnehin nur ein grobe Hilfe. Sunny 16, ein Handbelichtungsmesser oder eine Smartphone-App sind eine sinnvolle Ergänzung.
Ein kreatives Werkzeug
Die kreativen Möglichkeiten mit der Yashica Lynx 14 sind enorm. Neben dem lichtstarken und sehr scharfen Objektiv, liegt die Naheinstellgrenze bei nur 80cm. Viele andere Kameras dieser Zeit kamen nur bis max. 90cm an ein Motiv heran und das zusammen mit der Brennweite von 45mm ergibt bei Offenblende eine grandiose Portraitkamera. Darüber hinaus lassen sich viele kreative Ideen mit der Lynx 14 verwirklichen. Sie steht von alleine stabil auf eben Flächen und lässt damit problemlos Langzeitbelichtungen zu, ohne auf ein Stativ angewiesen zu sein.
Die charaktervolle Linse beherrscht das Spiel mit Lichteffekten und Halos perfekt und mit nur wenig Übung kann man stimmungsvolle Bilder produzieren.
Fakten
- Yashinon-DX 45mm f 1:1.4
- Copal SVE Zentralverschluss
- 1/1 bis 1/500 und B
- ASA 10 bis 800 ab 200 in ganzen Stufen gerastet
- ASA Einstellung elektronisch, daher technisch stufenlos
- Blende 1.4 bis 16 stufenlos
- Gekuppelter Mischbildentfernungsmesser 0,7x
- Einspiegelung der Belichtungsanzeige im Sucher
- Entfernung 0,8m bis Unendlich
- CdS Belichtungsmesser (1,3V)
- Syncbuchse X und M
- Coldshoe
- Bildzählwerk, selbstrückstellend
- Stativgewinde
- Drahtauslöseranschluss
Fazit
Die Yashica Lynx ist nicht die hochwertigste Kamera dieser Zeit, aber eine mit einem der besten Objektive dieser Zeit, was selbst heute noch eine perfekte Figur macht. Sie ist nicht ganz leicht zu finden und man sollte auf einen gewissen Wartungsaufwand gefasst sein. Das offene Linsensystem zieht Staub fast magisch an und die Belichtungsmessung braucht wegen ihrer Konstruktion fast zwangsläufig eine mechanische Revision. Dafür erhält man aber ein traumhaftes Objektiv und ganz ehrlich gesagt: Wer braucht bei einer manuellen Kamera schon einen eingebauten Belichtungsmesser ?
Dieter 21. März 2021
Ha, ha, ha – genau, wer braucht schon einen eingebauten Belichtungsmesser?
– Die RFs aus dem letzten Jahrtausend sind eh keine Schnellschußkameras für den Kindergeburtstag. Die fast lautlose Fotografierei, z.B. in Kirchen, also da , wo ein lauter Spiegelschlag einer SLR nicht angebracht ist, ist einer der Vorteile. Zur Leica M Ausrüstung hats bei mir nie gereicht, immer kamen andere größere Ausgaben dazwischen. Weil ich hauptsächlich auf 30/40 in der eigenen Duka printe, lege ich Wert auf ein sehr gutes Aufnahmeobjektiv.
Und deshalb liebe ich meine Lynxe mit dem 1,4 Objektiv. Das Objektiv ist wirklich erstklassig.Mit den Mängeln der Kamera kann ich leben, z.B. die suboptimale Scharfstellung und die Belichtungsmessung. Auch die Blendeneinstellung fällt gerne aus, und mancher Reparateur ist überfordert. Mit der Größe und dem Gewicht habe ich keine Probleme…warum auch?