Lichtgriff

Messsucher Fotografie, Elektrisches und Bass

Zeiss Ikon S312

Die letzte Zeiss Meßsucherkamera made in Germany wurde nicht gerade in großer Stückzahl gebaut und entsprechend selten ist die Kamera heute anzutreffen. Klein, handlich und elektronisch präsentiert sich diese sehr hochwertig verarbeitete Kamera, die mit einer optischen Legende ausgestattet ist: Das Carl Zeiss Tessar 40mm f2.8

Adlerauge

Es gibt so einige Superlative – wie der Begriff Adlerauge – die gerne genannt werden, wenn es um das 40mm Tessar in der Zeiss Ikon S312 geht. Und ja: Es stimmt einfach. Das Tessar ist unglaublich scharf und liefert phänomenale Kontraste. Die Konstruktion ist höchst interessant und verwendet am Eintritt wie am Austritt etwa gleich große Linsen. Bei Offenblende wird daher fast die gesamte Oberfläche der Linsen für das Bild verwendet. Dennoch ist es bis in die Ränder scharf. Postiver Nebeneffekt: Es ist klein und wirklich handlich.

Brüder, Schwester und Kinder

Die Zeiss Ikon S312 ist eigentlich eine alte Bekannte. Der ältere Bruder ist die S310, die jedoch keinen Meßsucher besitzt und die Voigtländer VF101 ist die Schwester, die technisch gesehen ein Zwilling darstellt. Als Nachfahre der S312 erscheint dann nach der Übernahme von Rollei, die Rollei XF 35, welche aber dann schon deutlich abgespeckt wurde und längst nicht das Qualitätsniveau der S312 erreicht.

Zeiss Ikon S312
6V mit 4 Batterien

Technik

Die Zeiss Ikon S312 ist mit einem elektronischen Verschluss ausgestattet, der Blichtungszeiten von 4 bis 1/500 Sek. stufenlos und automatisch steuert. Am Objektiv kann man die Blende manuell einstellen, die Kamera läuft also immer im A Modus (Blendenpriorität). Die gewählte Blende, als auch die Verschlusszeit wird auf je einer Skala im Sucher angezeigt, sodass man die Belichtungsparameter im Blick hat. Die Filmempfindlichkeit wird ebenfalls am Objektiv eingestellt, zeigt aber nur den DIN Wert an. Den ASA Wert muss man sich selbst ausrechnen. Die Kamera wird von 4 Stück V625 Batterien mit Strom versorgt, also satte 6 Volt. Die Spannung ist stabilisiert und solange die Kontrolllampe auf dem Topcover erkennbar leuchtet, die die S312 einsatzbereit. Der Umschalter zwischen Auto und Blitz schaltet im Blitzmodus die Kamera aus, was wertvolle Energie spart.

Filmtransport

Wie die S310 hat auch die Zeiss Ikon S312 eine Erkennung für eingelegten Film. Ist kein Film eingelegt, bleibt der Schnellschalthebel am Ende stehen und klappt beim Auslösen ein. Ebenso ist ohne Film der Belichtungsmesser nicht in Betrieb. Beide Dinge werden gerne als Defekt interpretiert, was sie aber nicht sind. Der Hebelweg ist angenehm kurz und dennoch leichtgängig. Zum Rückspulen muss nichts entriegelt werden. Man dreht nur die Kurbel und der Film wandert in die Patrone zurück.

Meßsucher

Der Sucher ist mit seiner 0,5x Vergrößerung ziemlich klein, aber durch seine Güte und eine praxistaugliche Meßbasis ist es eine Freude damit zu arbeiten. Der Sucher hat feststehende Spiegel und eine gekuppelte Sucherlinse. Die Vergrößerung von Sucher und Einspiegelung ist genau gleich groß, womit die Zeiss Ikon S312 zu den wenigen Kameras gehört, die auch ohne Brille gut zu erkennen sind. Der Meßsucher lässt ein feinfühliges und recht exaktes Fokussieren zu und ist uneingeschränkt zu empfehlen. Der Leuchtrahmen ist in der Parallaxe korrigiert.

Selbstauslöser

Das Vorlaufwerk ist gut versteckt. Unterhalb des Objektivs befindet sich ein winziger Hebel mit einer roten Markierung. Hebt man den Hebel mit dem Fingernagel an, kann man ihn zum Aufziehen nach links schwenken. Beim Auslösen hat man nun ca. 10 Sekunden Zeit ein freundliches Gesicht zu machen.

Zeiss Ikon S312
Filmeinlegen leicht gemacht.

Größe

Die Zeiss Ikon S312 hat die Abmessungen in etwa einer Revue 400 SE und ist damit äußerst kompakt für die mächtige Technik, die in diese einzigartige Kamera eingebaut wurde. Sie findet eigentlich überall platz und dank der einschiebbaren Sonnenblende bekommt sie taschenfreundliche Maße.

Fakten

  • elektronischer Verschuss, stufenlos 4 bis 1/500 Sek.
  • kein B Modus für den Verschluss
  • Carl Zeiss Tessar 40mm f2.8
  • Blende mit 5 Lamellen bis f22
  • CdS Belichtungsmesser im Objektiv
  • 6V Stromversorgung, Varta V625U problemlos möglich
  • Filmerkennung mit Kontrollfenster
  • Doppelbelichtungssperre
  • X-Synchronisation bei allen Zeiten
  • Entfernungsabhängiger Blitzmodus
  • Hotshoe
  • Bildzählwerk selbstrückstellend
  • Batterie Kontrolllampe mit Tastschalter
  • Gekuppelter Mischbildentfernungsmesser von 0,9m bis Unendlich
  • DIN 16 bis 27 entspricht ASA 32 bis 400
  • Anschluss für Drahtauslöser
  • Stativgewinde
Zeiss Ikon S312
Zeiss Ikon S312

Praxis

Die handliche Zeiss Ikon S312 liegt gut in der Hand und bietet eine sehr gute Balance, da das flache und leichte Objektiv den Schwerpunkt nicht nach vorne verlagert, sondern in der Mitte der Kamera ruhen lässt. Der Auslöser ist sehr gut für den rechten Zeigefinger positioniert und angenehm groß. Die Auslösekraft ist wegen des elektronischen Verschlusses gering aber immer noch gut zu erfühlen.
Die Belichtungsmessung über die tief eingelassene CdS Zelle wirkt wie eine Spot-Messung, was dem ambitionierten Amateur oder Profi durchaus entgegen kommt. Die Messung selbst ist so gut, wie eine Messung über eine einzelne CdS Zelle eben ist: Hinreichend genau, aber auch kein Wunderwerk. Ein großes Manko bei der Zeiss Ikon S312 ist der fehlende Meßwertspeicher, d.h. eine Messen, Verschwenken und Auslösen mit einer bestimmten Verschlusszeit ist nicht möglich. Das ist schade, aber auch verständlich, da die Kamera einen elektronischen Verschluss besitzt und die mechanischen Mitbewerbermodelle dieser Zeit, das Speichern über eine Mechanik realisierten. In der Praxis stört das ein wenig, lässt sich aber in Teilen durch abdecken der CdS Zelle mit einem Finger austricksen.

Das Filmeinlegen ist traumhaft einfach, da mal den Film nur grob einlegt und beim ersten Transport sich die voluminöse Aufnahmespule den Film von alleine schnappt. Ebenso einfach ist das Zurückspulen, da man ohne eine Entriegelung drücken zu müssen gleich loskurbeln kann.

Fazit

Die Zeiss Ikon S312 ist eine Seltenheit und sollte vielleicht eher in einer Vitrine stehen, da gute Exemplare heute kaum noch zu finden sind. Davon abgesehen ist die kleine Kamera eine tolle Meßsucherkamera für Street- oder Reisefotografie, die mit dem scharfen und kontrastreichen Tessa besonders auf Schwarzweiss Negativfilm herausragende Ergebnisse produziert. Wer also eine funktionierende S312 erwischt, sollte nicht zögern.

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5 Kommentare

  1. Brother Donal Leader cfc 15. Februar 2021

    Vielen Dank für diese detaillierte und umfassende Bewertung. Ich fand es sehr interessant und informativ. Ich möchte gern diese Kamera oder, vielleicht die Voigtläander VF 101 eventuell kaufen.

    Donal LEADER aus Irland

  2. Dr.Med.W.G. 1. Mai 2023

    Sehr schöne Kamera aber das Objektiv is kein Zeiss Tessar sondern ein rebranded Voigländer Skoparex /ich habe mehrere davon zerlegt, so dass ich das sicher weiß – sehr schone Kamera aus der letzten Braunschweig/Voigtländer Produktion ca. 1971

  3. Joachim Elz-Fianda 23. Juni 2023

    Hallo, ich habe soeben eine ersteigerte S312 geliefert bekommen. Soweit ohne Batterien prüfbar ist alles in Ordnung.
    Hat iregendjemand noch eine Bedienungsanleitung dafür, die er mir gegen Aufwandsentschädigung einscannen und per eMail oder als Kopie zuschicken kann ?
    mfG
    Jochen (jochenmabuse“ÄTT“web.de)

  4. Joachim Elz-Fianda 17. Juli 2023

    Die Bedienung ist weitgehend mit der Voigtländer VF101 identisch.
    Bei Butkus unter https://www.cameramanuals.org/voigtlander_pdf/voigtlander_vf101.pdf
    gibt es sie dreisprachig zum Runterladen.

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