Die meisten Meßsucherkameras datieren in eine Zeit vor meiner eigenen Zeit zurück – zumindest, was die aktive Fotografiekarriere angeht. Bei der Leica M6 ist das etwas anderes. Sie erschien zu einer Zeit, als ich als junger Kerl meine ersten Erfahrungen in der Dunkelkammer der Foto AG machen durfte. Dieser Beitrag wird also eher emotional als fachlich. (Update 01/2022)
Ich und eine Leica? Niemals.
So etwas in der Art war der Gedanke, als ich vor 35 Jahren (so ungefähr) die M6 in der Auslage eines Fotogeschäftes gesehen habe. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass jene Leica M6 mit Objektiv 4200,- DM kosten sollte. Für diesen aberwitzigen Betrag, hätte man auch eine komplette Hightech-SLR Ausrüstung bekommen, aber der Leica Kunde scheint sich lieber für extrem viel Geld, extrem wenig zu kaufen 😉 (Achtung: Selbstironie) Ich will gar nicht erst hochrechnen, wie lange ich mein Taschengeld hätte sparen müssen. Also: Leica? Niemals.
Leica? Jederzeit!
Überspringen wir doch einfach mal ein paar Jahrzehnte und landen in der Gegenwart (Februar 2020). Das Taschengeld ist nun lange genug gespart und der junge Kerl alt genug für das „Wenige“ geworden. Als begeisterter Meßsucherfotograf führt einfach kein Weg an der Leica vorbei. Und wenn es einen modernen Klassiker unter den Meßsuchern gibt, dann die Leica M6. Die Formensprache hat die M6 über die M4 von der M3 geerbt und wurde glücklicherweise nicht von ihrer Vorgängerin, der M5, abgeleitet. Wenn man das Meßsuchererlebnis richtig erfahren möchte, dennoch eine mechanische Kamera – aber bitte mit Belichtungsmessung – haben will, die auf Film fotografiert, dann gibt es entweder die M6, oder die aktuelle MP.
Die Form folgt der Funktion.
Das Design des Leica M Gehäuses ist direkt aus der Funktion abgeleitet und folgt herrlich logisch der Anordnung aller Baugruppen im Inneren. Eine Filmpatrone ist rund, genau wie die Aufnahmespule und daher ist auch das Gehäuse an den Seiten rund. Das macht eigentlich Sinn, oder? Dieses zeitlose Design lässt sich wie keine andere Kamera in der Hand halten.
Warum die M6?
Das ist eine relativ einfach zu beantwortende Frage (für mich). Obwohl die M5 eine deutlich bessere Kamera gewesen ist, als die M4 und auch schon die Belichtungsmessung eingeführt hatte, ist für mich das einzig wahre und ästhetische Design das der M3, was die M6 auf moderne Art fortführt. Und bei aller Begeisterung für die Sunny 16 Regel, weiß ich eine Belichtungsmessung in der Kamera sehr zu schätzen. Das ist auch ein Grund, warum ich ein absoluter Fan der Leica CL bin.
Handling
Die Leica M6 ist im Grunde nur eine Leica M4-P und als Erbin der Leica M3 hat sie genau dieses unvergleichliche Bediengefühl wie eben alle Leica M (außer der M5). Durch die Rundungen liegt sie perfekt in der Hand und reduziert sich auf das Essentielle der Fotografie. Selbst die Belichtungsmessung ist unaufdringlich im Hintergrund. Nur durch 2 Leuchtdioden im Sucher zeigt die M6 das Belichtungsniveau an. Nicht mehr und nicht weniger. Der Film lässt sich mit dem Dreizack ohne Mühe und schnell einlegen und ebenso schnell wieder entnehmen.
Meßsucher mal 0,72
Mit seiner Vergrößerung von 0,72x kann der Sucher der Leica M6 Rahmenlinien von 28mm bis 135mm anzeigen. Der Rahmen für 35mm – meine Lieblingsbrennweite – ist bequem selbst mit Brille perfekt zu erkennen und wie wir das von einem Leica Meßsucher erwarten, ist die Erkennbarkeit des Meßflecks einfach grandios. Für das Meßsuchererlebnis bekommt die M6 eine 1+.
Mit dem Strom
Mit dem Strom schwimmt die Leica M6 ganz sicher nicht, will aber mit dem Strom ihren Belichtungsmesser am Leben halten. An der Stelle, wo bei der M4 das Vorlaufwerk platziert war, beherbergt die M6 eine Batteriefach für entweder 2 SR44 Batterien oder eine 1/3N Batterie. Durch die Stellung B am Zeitenwahlrad, wird der Stromkreis komplett unterbrochen und die Messung ist komplett abgeschaltet. Das kann Batterie sparen.
Der Hype
Es ist schon fast absurd, dass eine sehr gut erhaltene aber gebrauchte Leica M6 heute mehr kostet, als eine neue Kamera bei ihrer Markteinführung. Wir wollen irgendwie alle eine M6 – ich auch – und das hat aus der Kamera eine Wertanlage gemacht. Schaut man sich die Preisentwicklung der letzen 10 Jahre an, dann lohnt es sich quasi immer eine M6 zu kaufen und ein paar Jahre mindestens liegen zu lassen. Die Rendite ist eindeutig besser, als bei einer Sparanlage. Doch entgegen aller Vernunft: Für eine M6 würde ich sofort jede meiner Meßsucherkameras eintauschen.
Update Preisentwicklung
Aktuell (01/2022) erreichen gewartete M6 im sehr guten Zustand bereits Preise jenseits der 3000,- Euro. Damit ist eine M6 heute doppelt so viel Wert, wie im Jahr ihres Erscheinens. In den vergangenen 2 Jahren alleine, lag die Wertsteigerung bei rechnerischen 33%. Wer eine M6 kaufen möchte, sollte daher nicht lange warten.
Was gibt es zu beachten?
Da die Nachfrage größer als das Angebot geworden ist, sinkt bei vielen die Hemmschwelle dahin, auch weniger gut erhaltene M6 für viel Geld zu kaufen. Die Leica M6 ist eine mechanische Kamera und unterliegt zum einen einem gewissen Verschleiß und muss zum anderen in plausiblen Abständen gewartet und vor allem justiert werden. Was hier für alle anderen M Kameras gilt, trifft natürlich auch auf die M6 zu. Vor einem Kauf sollte geprüft werden, ob Verschluss und Messsucher korrekt justiert sind und auch korrekt funktionieren. Außerdem sollte der Zustand der Reflektionsfläche auf dem Verschlusstuch geprüft werden. Ist sie stark abgenutzt und keine gleichmäßige Fläche mehr, ist die Belichtungsmessung nicht mehr verlässlich.
Ansonsten ist die M6 eine unverwüstliche Kamera, für die es noch genug Ersatzteile gibt. Moderner kann ein Klassiker kaum sein.
Zum Schluß
Dieser Bericht ist ohne Ausflüge in die Technik ausgekommen und das auch ganz bewußt. Das Netz ist voll mit technischen Details zur Leica M6 und da braucht es hier sicher nicht noch eine Abschrift der technischen Daten. Die Leica M6 ist die Meßsucherkamera, die mich persönlich emotional am meisten erreicht. Es ist aber nur ein Kameragehäuse. Sie macht keine besseren oder schlechteren Bilder, als jede andere M-Kamera. Das Bild macht der Fotograf durch das Objektiv und Objektive gibt es genug für das M-System. Meine Lieblinglinse ist das Voigtländer Nokton Classic 35mm F1.4. Es ist kompakt, scharf und hat Charakter. Das kombiniert mit einem Ilford FP4+ bei 125, 250 oder 500 ASA oder ein Kodak Portal 160 ergibt den Look, den ich gerne mag.
E.Richter 25. Februar 2021
Sehr gut und fachgerecht formuliert, macht Freude zu lesen.
Andreas Weinmann 27. Februar 2021
Dem kann ich nur beipflichten.
NORBERT DOPHEIDE 17. Oktober 2021
Meine erste Leica mit 35mm Summicron war eine gebrauchte M5, gekauft Ende der 1970er Jahre.
Mit dieser Kamera ist es so wie mit einer ersten Freundin, man vergisst sie nie und/oder man bleibt auf ewig mit Ihr verbunden, was bei mir der Fall ist. Diese Kamera ist gebaut wie ein Leopard-Panzer, sie liegt fantastisch in den Händen und ist bei vor eingestellter Blende mit dem Zeitenrad, dem Auge am Sucher, sehr einfach zu bedienen, einfacher als meine M4P ohne eingebauten Belichtungsmesser , welche ich mir später zugelegt habe.
Selbstverständlich zwingen diese Kameras den Besitzer zu einem sorgfältigen Umgang, wie bei einer Freundin…man sollte auch eine Leica, gebaut wie ein Panzer, nicht mutwillig auf den Boden schleudern . Tennisspieler sind keine nachahmenswerten Vorbilder ! Selbstverständlich benötigen diese Kameras Pflege und Service, dann funktionieren diese solange Ersatzteile zur Verfügung stehen.
Freunden der analogen Fotografie kann ich diese Kameras nur ans Herz legen auch wenn man eine Zeitlang darauf sparen muss, was eine gute Lebensführung fördert.
Jan Decher 28. Dezember 2024
Konnte kürzlich günstig eine originale M6 in schwarz mit 3 Objektiven kaufen, die lange nicht benutzt wurde. Einziges Problem: das Batteriefach liess sich nur mit etwas Gewalt (Zange) öffnen. Eine Batterie war etwas ausgelaufen, obwohl die Anzeige noch funktionierte. Das war schnell gereinigt und eine neue Lithium eingelegt. Nun kann ich die M6 ausgiebig mit meiner Zeiss Ikon ZM vergleichen und irgendwann entscheiden welche Meßsucherkamera bleibt. Haptisch gefällt mir die M6 gut, obwohl ich den grösseren Zeitenring der ZM vorziehe. An beiden Kameras fehlt mir allerdings der Selbstauslöser der bei der Leica nur bis zur M5 “überlebt” hat. Nutze den Selbstauslöser oft als Drahtauslöserersatz und bei Gruppenaufnahmen auf Tagungen und im Familienkreis.
Ralf 4. Januar 2022
Moin Matz,
ich habe mich daran versucht bei meiner M6 die Höhenlage zu korrigieren und komme nicht weiter in dem Loch befindet sich bei mir keine Schraube. Kannst Du helfen?
Ralf
Matz 4. Januar 2022 — Autor der Seiten
Hallo Ralf,
der Sucher der M6 hat keine Justierschraube für die vertikale Ausrichtung des Meßflecks. Ober- und unterhalb des Lochs, siehst Du die Schultern eines Winkelblechs. Dieses Blech stellt die Vertikale ein. Die Bohrung (Loch) ist nur eine Werkzeugaufnahme. Du kannst die Klinge eines 3mm Schraubendrehers auf ca. 1,5 x 1 mm ausklinken und dann die längere Seite in die Aufnahme stecken und durch Drehen das Blech in der Höhe einstellen.
Gruß, Matz
Udo 9. Oktober 2022
Die Anziehungskraft ist unbestreitbar, bin nicht sicher ob ich der auf Dauer widerstehen kann 😉 Nutzt du das Voigtländer in der sc oder mc Variante? VG
Matz 14. Oktober 2022 — Autor der Seiten
Hallo Udo, ich habe beide Varianten aber in unterschiedlichen Linsen. Das MC ist also Allrounder definitiv besser. Das SC erzeugt bei leichten Gegenlicht bereits nette Flares, aber die will man vielleicht nicht immer haben. Für verträumte Portraits und Landschaften ist das SC wirklich nett. Müsste ich mich für eines entscheiden, wäre es immer das MC.
Gruss, Matz
Jan Decher 9. Dezember 2024
Hallo Matz,
ich have gerade eine gebrauchte M6 mit 3 Obejtiven erstanden. Der Belichtungsmesser funktioniert, ich kriege aber die Batteriekappe nicht abgeschraubt. Vielleicht ist die Batterie doch etwas ausgekaufen. Hast Du enen Tipp? WD40 wohl eher nicht…
Gruß, Jan
Matz 9. Dezember 2024 — Autor der Seiten
Hallo Jan,
WD40 ist wirklich nicht gut. Besorg Dir am Besten mal einen Gummistopfen für Reagenzgläser in groß. Damit kann man viel mehr Kraft übertragen, als mit den Fingern und man macht mit dem Gummi nichts kaputt. Damit habe ich bisher jeden M6 Deckel aufbekommen.
Grus, Matz
Jan Decher 9. Dezember 2024
Super Tipp, danke! – Bin gespannt auf die M6 im Vergleich zur Zeiss Ikon ZM die ich bisher verwendet habe.
Matz 10. Dezember 2024 — Autor der Seiten
Die M ist das Original – im Guten wie im Schlechten 😉