Der Markt und insbesondere der Onlinehandel ist gut bestückt mit verlockenden Angeboten. Dabei trifft man neben seriösen Anzeigen auf 4 besondere Sorten von Angeboten, die wir uns hier einmal genauer ansehen und besprechen die Dinge, auf die man beim Kauf einer Schraubleica oder einer Leica M achten sollte. Dabei sind die folgenden 4 Angebotstypen immer nur für solche Angebote zu verstehen, bei denen die Kamera nicht im Detail beschreiben wird, bzw. die Angebotsbeschreibung fehlt. Das Folgende gilt natürlich auch für Schraubleica-Kopien wie die FED 1.
Angebotstyp 1: Der Ahnungslose.
Eines vorweg: Es gibt durchaus Verkäufer, die sich mit der Materie wirklich nicht auskennen und das kann man niemanden vorwerfen. Ob man das sicher erkennen kann, lässt sich natürlich nicht einfach sagen. Die Praxis zeigt aber eines deutlich: Die Ahnungslosigkeit wird gerne vorgeschoben, um defekte Kameras zu verkaufen. Diese Angebote erkennt man an dem Attribut „ungetestet“, was in der Regel auch die einzige Beschreibung ist.
Angebotstyp 2: Topzustand.
Bei diesen Angeboten findet man in der Regel einen Hinweis auf den Topzustand schon im Titel der Anzeige. Dazu gibt es ein paar Bilder vom äußerlichen Zustand und es werden keine detailierten Hinweise auf den Funktionszustand gegeben.
Angebotstyp 3: Mit Service.
Hier haben wir es eigentlich mit einer Variante vom Typ 2 zu tun. Auch hier fehlen alle wichtigen Details und es wird nur mit dem CLA Service geworben.
Angebotstyp 4: Zustand A, B, C, D, E
Für einen angeblichen Fachhändler ist das die Kombination aus Offenbarungseid und Inkompetenz. Diese Anzeigen haben immer den gleichen Text und es wird nur der Zustandsbuchstabe ausgetauscht. Weniger Mühe kann man sich nicht mehr geben.
Was eine professionelle Anzeige an Informationen enthalten muß.
- Zustand der Verschlußtücher
- Funktion aller Zeiteinstellungen
- Funktion und Zustand des Filmtransports
- Nachweise über einer Service – falls vorhanden
- Funktion und Zustand des Suchers und/oder des Meßsuchers
- Zustand der Belederung
- Beschreibung der ggf. sichtbaren Korrosion in der Kamera
- Funktion der Blitzauslösung (sofern vorhanden)
- Funktion und Zustand des Vorlaufwerks (sofern vorhanden)
- Vollständigkeit (sind alle Bauteile vorhanden, oder fehlt etwas)
- Kosmetischer Zustand
Selbst ein technischer Laie sollte diese Punkte an seiner Kamera beschreiben können. Von einem Fachhändler würde ich persönlich eine Beschreibung der oben angeführten Punkte erwarten. Flüchtet sich ein Händler in Angebotstyp 1, dann rate ich dringend von einem Kauf ab. Diese Kameras landen in großer Zahl in meiner Werkstatt und da die Kartons, die bei mir eintreffen meistens nicht nur vom Kunden, sondern auch dem Händler benutzt wurden, sehe ich sehr gut, welche Händler hier auffällig werden. Ich werde hier keine Namen nennen, aber es gibt 2 eBay-Händler, die sich durch sehr spartanische Artikelbeschreibungen auszeichnen und deren Verkäufe laden häufig auf meiner Werkbank.
Top ist nicht wirklich Top.
Von Außen mag eine Kamera noch so gut aussehen, aber: Keine (absolut keine!) über 30 Jahre alte Kamera, die noch nie im Service war, sieht von Innen gut aus und schon gar keine Leica II oder III. Da hilft auch nicht der Glaube an den Leica-Mythos von der ewigen Haltbarkeit und der exorbitanten Qualität. Zu diesem Thema habe ich schon viele Diskussionen mit eingefleischten Leicajüngern geführt und konnte am Ende doch immer an den so gelobten Sammlerstücken zeigen, dass eine Leica altert, wie jede andere Kamera auch. Wichtig ist daher bei der Anschaffung einer alten Leica, dass sie nicht nur von Außen gut aussieht. Die volle Funktion und der Funktionszustand müssen nachvollziehbar sein. Wer eine Gebrauchskamera sucht – also kein Vitrinenstück – für den ist das originale Leica-Siegel einer Leica M3 absolut kein Qualitätsmerkmal. Es zeigt nur, dass die Kamera in fast 70 Jahren nicht gewartet wurde und nach dieser Zeit ist die Schmierung der Kamera weg; garantiert. Gerade vor Kurzem erst hatte ich eine wunderschöne – geradezu neuwertig wirkende – M3 in der Werkstatt. Von Innen war die M3 ein dunkler Klumpen verharztes Fett. Nach der Reparatur war die Kamera in der Bedienung kaum wiederzuerkennen. Viele Kamera Besitzer wissen gar nicht, wie leichtgängig und geschmeidig die eigene Kamera sein kann.
Service mit Nachweis.
Kameras die für viel Geld mit einem CLA Service angeboten werden, müssen auch einen Nachweis über den Service vorzeigen können. Ansonsten ist das einfach unglaubwürdig. Im letzten Jahr hatte ich eine Leica IIIc im Service, die sich sehr geschmeidig anfühlte und mit CLA (ohne Nachweis) an den Kunden verkauft wurde. Trotzdem funktionierten die langen Verschlußzeiten nur, wenn man den Auslöser losließ. In der Werkstatt zeigte sich dann, dass die Kamera von außen geölt(!), aber nie zum CLA geöffnet wurde. Daher: Wenn nach einem CLA die Verschlußzeiten nicht perfekt laufen, dann war es kein CLA. Eine Werkstatt schreibt immer einen Servicenachweis. Ohne Nachweis, kein CLA.
Das Öldrama.
Gerade die Leica II/III – wenn sie schwergängig wirkt – läßt sich gut mit Öl verunstalten. Das liegt daran, dass recht viele Teile des Transports und des Verschlusses von Außen zugänglich sind. Da bietet es sich für manche Vorbesitzer an, einfach etwas Nähmaschinenöl über die Drehknöpfe laufen zu lassen. Das Effekt kann verblüffend sein, denn für einen kurzen Moment läuft die Kamera sehr geschmeidig. Aber: Öl, was nicht aus einer sehr kleinen Kanüle an den richtigen Stellen appliziert wurde, hat nichts in oder an der Kamera zu suchen. Falsches Ölen kann kapitale Defekte nach sich ziehen.
Sichtbare Schrauben.
An einer Leica Kamera befinden sich eine Reihe von sichtbaren Schrauben, an deren Köpfen man sehr gut ablesen kann, ob eine Kamera bereits durch einen Laien geöffnet wurde. Ist der Kopf beschädigt, wurde die Kamera schonmal unsachgemäß bearbeitet. Der Feinmechaniker verwendet immer das 100% passende Qualitätswerkzeug und weiß, wie man damit umgeht. Daher wird er nur selten mal eine Verschraubung beschädigen. Hier gilt aber einschränkend: Alte Schrauben lassen sich machmal nur schwer lösen und da kann es durchaus zu Kollateralschäden kommen. Auf jeden Fall aber sollte man beim Kauf darauf achten, dass die Schraubenköpfe in einem manierlichen Zustand sind.
Zurück zu den Ahnungslosen.
Man findet immer wieder Anzeigen von Haushaltsauflösungen, wo die gefundenen Kameras feilgeboten werden. Wer kein Risiko eingehen will, sollte diese Anzeigen übergehen. Es sei denn das Angebot ist so verlockend, dass sich das Risiko lohnt. Generell gilt bei Typ 1 Angeboten: Wer billig kauft, kauft 2 mal – oder bezahlt eine teure Reparatur.
Was man nicht sieht.
Selbst wenn die Anzeige sehr ausführlich den Zustand der Kamera dokumentiert, so gibt es gerade bei der Leica I/II/III eine Sache, die man einfach nicht sehen kann: Den Zustand des Verschlußtuchs auf der Trommel. Ist der Verschluss abgelaufen, sicht man nicht das ganze Verschlußtuch. Der Teil, der auf der Trommel klebt ist stets verborgen. Dieser Teil des Tuchs ist fast immer brüchig (mehr oder weniger), auch wenn der sichtbare Teil noch gut aussieht. Kein 70 Jahre altes Tuch ist wirklich gut. Eine sehr alte Leica, ist also immer mit einem kleinen Risiko verbunden. Darüber sollte man sich im Klaren und bereit sein, in eine Erneuerung der Tücher oder einen Check-Up zu investieren, wenn die Kamera wirklich benutzt werden soll.
Verräterischer Schellack.
Unten im Filmfach deckt bei jeder Leica ab Model III eine Metallplatte die untere Verschlußmechanik ab. Diese 3 Schrauben lassen sich auch als Laie schnell entfernen. Man kann da nichts kaputtmachen. Hinter der Abdeckung findet man die Justierschauben der Verschlußrollospannung. Diese Schrauben sind mit Schellack gesichert. Ist der Lack abgeplatzt, hat jemand an der Vorspannung justiert und das ist in der Regel ein schlechtes Zeichen. Immer wieder erlebe ich leider, dass Hobbybastler denken, diese Justage ist primär für die Verschlußgeschwindigkeit da. Meistens kommt das daher, dass der Verschluss zu langsam läuft und man versucht, durch Erhöhen der Rollospannung den Verschluss auf Vorderman zu bekommen. Scheinbar werden diese zweifelhaften Reparaturen auch von „Fachhändlern“ und deren „Werkstätten“ angewendet. Auch hier will ich keine Namen nennen, aber die statistische Häufung bei einem bestimmten eBay-Händler ist schon auffällig. Jedenfalls ist die Rollospannung tabu, es sei denn, man weiß wirklich wofür sie gut ist und wie man sie einstellt.
Viel zu beachten.
Es ist schon so Einiges, was man beachten sollte und beim Onlinekauf kann man sich nicht wirklich ein guten Bild der begehrten Kamera machen. Es gibt aber immer noch ein paar renomierte Leica Händler, denen man vertrauen kann. Wer sich da für einen Tip interessiert, kann mir gerne eine Nachricht schreiben, dann verrate ich gerne, wem ich persönlich vertraue und von welchem eBay-Angebot ich die Finger lassen würde.
Ansonsten gilt: Finger von Angeboten lassen, wo der Artikelzustand nicht nachzuvollziehen ist. Ist der Zustand nicht eindeutig, dann immer und unbedingt den Verkäufer nach den fehlenden Informationen fragen. Und ganz wichtig: Fotos vom Zustand beider Verschlußtücher anfordern.
Erwischt?
Sicher habt Ihr besonders bei eBay genau solche Anzeigen gefunden und vielleicht seid Ihr sogar genau deswegen auf dieser Webseite gelandet. Die seriösen Alt-Kamera-Händler bei eBay kann man an weniger als einer Hand abzählen. Seid also bitte Vorsichtig. Übrigens schreibe ich das auch aus eigener Erfahrung, da ich selber gerne bei eBay nach interessanten Stücken stöbere und mit sehr vielen „Händlern“ schon Kontakt hatte.
Hobbybastler 26. März 2021
Zitat: „Immer wieder erlebe ich leider, dass Hobbybastler denken, diese Justage ist primär für die Verschlußgeschwindigkeit da.“
Ich habe den Verschluß meiner Leica IIIb damit justiert und die Einstellung ist doch genau dafür da! Es gibt viele gute Videos, die genau diese Einstellung zeigen. So falsch werden wir Hobbybastler wohl nicht liegen.
Matz 26. März 2021 — Autor der Seiten
Wenn Du vorher dafür gesorgt hast, dass alle Lagerbuchsen und Schäfte des Rollosatzes perfekt gereinigt und geschmiert sind und durch einen gewissenhaften Service die Leichtgängigkeit aller bewegten Teile sichergestellt hast, dann kannst Du die Vorspannung so einstellen, dass der Vorgang mit der schnellstmöglichen Geschwindigkeit schließt, ohne dass eine nennenswerte Zugspannung auf dem Tuch lastet. Hast Du das nicht gemacht, sondern erhöhst einfach die Spannung, um die Schwergängigkeit der Mechanik auszugleichen, ist das ein schwerer Fehler, der früher oder später zum Reißen des Verschlusstuches führt. Auf YouTube gibt es leider zu viele Bastlervideos, die einen groben Unfug zeigen. Tut mir leid, wenn ich das so deutlich sagen muß.
Übrigens: Wenn der Verschlußantrieb korrekt gewartet wurde, braucht man nur selten die werkseitige Vorspannung nennenswert verändern.
Gruss, Matz
Andi 31. März 2021
Super Artikel, den ich vorher hätte lesen müssen. Habe bei eBay eine Leica IIIa „collectors item“ gekauft. Angeblich funktionsfähig. Tatsächlich aber genau wie hier beschrieben nämlich zweites Tuch vollkommen hinüber, schwergängig, verranzt.
Andi
Uli 30. April 2021
Dieser Artikel spricht die Punkte an, die auch ich beim Kauf einer gebrauchten Leica M3 erleben durfte. Wenn man keinen Profi an seiner Seite hat, der einen bei der Beurteilung hilft, sollte man die Tipps aus Deinem Artikel vor einem Kauf verinnerlicht haben. Ich habe aus heutiger Sicht mit meiner M3 einen sehr guten Griff gemacht. Gekauft habe ich sie vor ca. einem Jahr. Mir hat jemand bei der Auswahl sehr engagiert geholfen. Sie ist tadellos. Die Verschlusszeiten hat ein sehr netter Mensch für mich überprüft und sie passen. Und das nicht gefühlt oder nach Gehör, sondern laut Messung.
Heute (April 2021) habe ich spaßeshalber bei Ebay nachgeschaut, ob aktuell eine M3 angeboten wird. Tatsächlich findet man eine mit dunkelblauer Belederung, optischer Zustand …. (ich sag nix), beschreibender Text: „SN…, Technische Funktionen in Ordnung, gut erhalten, mit leichten Gebrauchspuren, Sucher sauber, Verschlußzeiten laufen sauber, Selbstauslöser funktioniert“. Angebotspreis über Euro 1900. Gewerblicher Anbieter.
Wenn ich jetzt meine M3 anschaue und auch den Preis , den ich bezahlt habe, springe ich jubelnd durch’s Zimmer.
Oliver 6. September 2021
Geht mir ähnlich. Glücklicherweise hat mich das Thema schon vor Jahren gepackt. Hab mir damals eine M6 zu einem runden Geburtstag geschenkt. Vom Händler. Mit 1 Jahr Garantie und Service. Damals keine Gebrauchsspuren an der Kamera. Alle Verpackungen, Bedienungsanleitung dabei. Eine wunderbare Kamera die ich viel benutzt habe in den letzten Jahren. Schau ich heute nach den Preisen – wow… Liegt das an der Pandemie? Gleiches hab ich mit meiner M2 erfahren. Vor ca. 4 Jahren fanden sich bei einem bekannten Hamburger Händler M2, M3, M4 zahlreich in allen Erhaltungsvarianten auf der Website. Preise ab 300,- für funktionierende CC Stücke. Heute gähnende Leere im Gebrauchtmarkt. Bei den damaligen Preisen konnte man gut einen umfassenden Service mit planen. Und hatte dann eine Kamera bei der man sehr gut wußte was, wo und wie gemacht wurde. Bin gespannt wie das weitergeht….
Stephan 26. November 2021
Sehr interessanter Beitrag – und ein insgesamt großartiger Blog!
Ich trage mich seit einiger Zeit mit dem Gedanken eine M3 zu kaufen. Aktuell fotografiere ich mit einer SL (einige M Objektive inklusive) und habe eine Rolleiflex die ich von meinen Vater geerbt und wieder in Betrieb genommen habe. Daher auch die Idee mit der M3.
Magst du mir die Kontaktdaten der Händler deines Vertrauens nennen?
Könnte vielleicht hilfreich sein…
Matz 26. November 2021 — Autor der Seiten
Hallo Stephan,
schicke mir einfach eine Nachricht über die Kontaktseite.
Gruss, Matz
Stephan 9. Dezember 2021
Hab ich – 2x. Kommt die Nachricht nicht an?
Klaus Wirz 25. Januar 2022
Hallo Mats, vielen Dank für diesen Artikel. Auf das Angebot komme ich gerne zurück: Ich suche eine Leica IIIc, möglichst Nachkrieg.
Welchen-Welche Händler schlägst Du denn vor ?
Vielen Dank, Klaus
Matz 25. Januar 2022 — Autor der Seiten
Hallo Klaus,
ich schreibe es jetzt einfach mal öffentlich. Der Leica Händler meiner Wahl ist Meister Camera https://www.meister-camera.com/
Ich habe zu dieser Firma keinerlei Verbindung, außer dass ich dort selbst 2 Leicas gekauft habe. Viele Kameras von Kunden die dort gekauft haben, waren schon bei mir und stets einwandfrei.
Gruß, Matz
Anthony-James Owen 16. Januar 2023
Hallo Matz,
die positiven Erfahrungen mit Meister Camera (in meinem Fall in Berlin) kann ich nur bestätigen. Seriöse Beratung. Vernünftige Ankaufpreise und die gebrauchten Produkte sind immer in dem Zustand, wie diese auf der Seite oder im Laden beschrieben wurden.
Habe dort mehrere Kameras im Laufe der Jahre gekauft und auch wieder verkauft und auch entsprechende Zahl von Objektiven. Sicher manchmal teurer als das Leica-Schnäppchen von eBay aber definitiv wenig bis gar keine Probleme.
Grüße aus Berlin
Anthony