Es gibt aus meiner Erfahrung keine Leica I/II, FED, Zorki oder andere Schraubleicas, die heute noch so funktionieren wie damals und die Erwartung eine tadellose FED zu bekommen, sollte man lieber herunterschrauben. Die Realität sieht anders aus: Schwergängige Mechanik, Verschlusstücher porös und/oder gerissen, Meßsucher trübe und dejustiert, Gehäuse korrodiert und vieles mehr. Dabei sind die frühen Leica Kopien aus der ehemaligen Sowjetunion eigentlich richtig gute Kameras. Da sie in der Regel aber in einem schlechten Zustand sind, werden sie oft als weniger “wertig” beschrieben als ihr Original. In diesem Beitrag zeige ich die Restauration einer FED 1 zu einer guten Gebrauchskamera.
Die Ausgangslage
Die FED 1 zerlegt und nach der ersten Reinigung. Bei den Teilen, bei denen es möglich war, hat ein Ultraschallbad gute Dienste geleistet. Der Rest muss manuell penibel von Schmutz und alten Schmierstoffen befreit werden. Die Verschlusstücher sind regelrecht zerfetzt bei dieser Kamera. Fast überall ist die schwarze Lackierung abgelöst.
Reinigen und Pflegen
Jetzt geht an an die Details der Restauration der FED. Jedes Bauteil oder Baugruppe wird nicht nur einfach gereinigt. Lagersitze, Buchsen und Schäfte werden auch nachgeschliffen und poliert. Zusammen mit frischem Öl und etwas Fett an den richtigen Stellen ergibt sich eine leise und geschmeidige Mechanik. Außerdem ist das Chassis im Inneren mattschwarz lackiert.
Verdunklen
Hier wurden die frisch gepflegten Bauteile des Rollosatzes brüniert. Das Brünieren ist ein chemischer Vorgang, bei dem sich die Oberfläche des Metalls mit einer passenden Chemikalie schwarz verfärbt. Das ist wichtig, damit die offenen Rollos später kein Licht reflektieren.
Neue Verschlußtücher
Der Einbau neuer Verschlußtücher ist bei diesen alten Kameras unumgänglich. Selbst wenn sie vielleicht von der Gewebeseite her noch gut aussehen: Die gummierte Rückseite ist immer brüchig. Beim Anfassen in der Werkstatt zerfallen die Tücher immer zu Staub. Es ist verblüffend, dass solche Tücher zuvor noch Auslösungen überlebt haben. Diese FED 1 bekommt Tücher aus reiner Seide. Der Verschluss wird an dieser Stelle auch gleich justiert.
Suchereinheit und Chassis
Der simple Sucher der FED ist schnell gereinigt, da er sich sehr leicht zerlegen lässt. Wichtig ist immer zu wissen, was man im Sucher nicht reinigen darf. Die bedampfte Seite des Sucherprismas ist so empfindlich, dass die beim Reinigen beschädigt wird. Da sollte man lieber etwas “Nebel” in Kauf nehmen, bzw. das Prisma tauschen. Die Teile sind jedenfalls schnell wieder zusammengesetzt.
Gehäuse
Das Gehäuse und der funktionsunfähige Zustand der FED 1 ist der Grund, warum die Kamera eigentlich auf dem Müll gelandet ist. Und das Gehäuse sieht wirklich furchterregend aus. Daher folgt jetzt eine Spezialbehandlung, die im Detail mein Geheimnis ist und bleibt.
Gut vorbereitet
Nach einer sehr speziellen thermischen und chemischen Behandlung, ist das alte Vulkanit der FED 1 komplett und rückstandslos entfernt. Jetzt ist das gute Stück bereit für neues Leder
Belederung
Die Belederung ist geschnitten und gelocht. Das geschieht komplett manuell durch Abformen von der Kamera. Dadurch entsteht eine passgenaue Belederung, die nun auf die Kamera geklebt wird. Das Abkleben ist wichtig, um die Kamera nicht mit Kleber zu verunreinigen.
Die gebrauchsfertige Kamera
Wenn es die FED 1 hergibt, wie in diesem Fall, dann senke ich das Auflagenmaß auf den Leica Standard ab und justiere den Meßsucher darauf ein. Die FED 1 funktioniert dadurch perfekt mit jedem Standard LTM Objektiv und nicht mehr nur mit dem mitgelieferten FED 3.5 – In diesem Fall liegt die Fassung jetzt 0,8mm tiefer und es kommt die Fassung einer neueren Zorki zu Einsatz, damit die Markierungen des Objektivs korrekt nach oben zeigen.
Zusammen mit dem Jupiter 8 kann diese FED 1 jetzt super scharfe Bilder produzieren. Dank der neuwertigen Mechanik und den neuen Verschlusstüchern ist sie eine perfekte Alltagskamera geworden.
Das neue Leder in Schokoladenbraun hat die perfekte Dicke um eine nahtlose Haptik zu gewährleisten. FED Gehäuse mit altem Vulkanit sondern immer Farbe ab und sorgen für schmutzige Finger. Das kann mit dem frischen Leder nicht mehr passieren.
Das Herzstück der restaurierten FED 1 ist der Verschluss mit den neuen Tüchern. Die Zeiten passen perfekt.
Auf den Fenstergriff scharf bei Blende 2. Eine restaurierte und exakt einjustierte Kamera sorgt für scharfe Bilder bei jeder Verschlusszeit und Blende. Wie üblich auf Ilford FP4+ bei 125 ASA, entwickelt in XTOL 1+1, Scan mit dem mittelmäßigen Reflecta X7.
Warum FED und nicht Leica ?
Diese Frage bekomme ich tatsächlich häufiger gestellt. Wie kann man nur eine FED restaurieren? Weil es eine FED ist! FED und Zorki sind nicht das Original, aber auch sie sind klassische Kameras, die man nicht mehr neu kaufen kann. Die Zeiten, wo man eine FED noch eher entsorgt als restauriert hat, sind aus meiner Sicht vorbei. Außerdem brauchen sich weder die FED 1 noch die Zorki 1 hinter irgendeiner anderen Kamera verstecken. Auch in der Sowjetunion wurden hervorragende Fotoprodukte hergestellt und der Charme der überall sichtbaren Handarbeit an der FED hat für mich einen besonderen Reiz.
Wer mit einer Schraubleica fotografieren will, der kann sich natürlich das Original zulegen. Auch das ist nur ein Verschluss mit Meßsucher in einer Blechdose. Wem es um das Fotografieren geht und nicht um die Sammlung, der weiß definitiv auch eine FED oder Zorki zu schätzen.
Die Justage von Verschluss und Meßsucher erfordern Erfahrung, Feingefühl und hochgenaue Meßwerkzeuge und -geräte. Wenn an der FED alles stimmt, hat man eine grandiose Alltagskamera in der Hand. Die Kamera im Selfie ist die restaurierte FED 1 aus diesem Beitrag.
Dieses Spiegelselfie auf FP4+ bei ASA 250 ist mit dem neuen Adox XT-3 Entwickler entwickelt.
Thorsten 12. April 2021
Chapeau und ich freue mich schon riesig auf meine Zorki 1 von euch 📷
Thorsten
Sascha 17. April 2021
Ich liebe diesen Blog und Deine Arbeit, Matz.
Meine FED 1 ist ein Traum dank Deiner Restaurierung.
Mach bitte weiter so 👏🏻
Viele liebe Grüße in den Norden,
Sascha
Matz 17. April 2021 — Autor der Seiten
Hallo Sascha,
vielen Dank für Dein Lob; echt nett von Dir.
Gruß, Matz
Dominik 6. Oktober 2021
Toller Artikel,
Habe eine zorki 1 die in ähnlichem Zustand ist. Tolle Beschreibung und tolles Ergebnis. Zu der Anpassung der Registrierweite würde ich gerne etwas mehr wissen. Unterfütterst oder schleifst du dazu den Objektivanschluss ab?
Matz 7. Oktober 2021 — Autor der Seiten
Hallo Dominik,
Wenn das gemessene Auflagenmaß weniger als 0,8mm vom LTM Standard abweicht und ich nicht weniger als 1/3 des Sitzes ausfräsen muss (das muss man für jeden Einzelfall vorher genau ausmessen), dann fräse ich den Sitz nach Vorlage der Schraubfassung im Gehäuse aus. Dadurch liegt danach die Fassung die entsprechenden paar Millimeter tiefer. Das geht nicht mit jeder Kamera. Die Fertigungstoleranzen der FED1 sind leider sehr groß, weil die Justage damals durch das Objektiv gemacht wurde.
Gruss, Matz
Michael 21. Dezember 2023
hallo!
vielen dank für den tollen artikel – wo bekommst du das material für die verschlusstücher denn her? ich möchte meine zorki neu ausstatten 🙂
lg aus wien, michael